Alphabet en images

Ein Kinderbuch zum Alphabet von Marie-Madeleine Franc-Nohain

1925 erschien in Paris der neue illustrierte Band Alphabet en Images der französischen Illustratorin Madeleine-Amélie Franc-Nohain oder, wie sie hier im Buch genannt wird, Marie-Madeleine Franc-Nohain. Ich möchte Euch das Buch vorstellen.

Paris in den zwanziger Jahren.

Der erste Weltkrieg ist vorbei, Frankreich, die Grand Nation geht um Millionen Leben geschwächt, moralisch aber erstärkt aus dem Gemetzel des Krieges hervor. Die Kriegsproduktion der Grand Nation wurde nach 1918 wieder auf Friedensproduktion umgestellt, nach einer zwischenzeitlichen Rezession setzte 1924 endgültig der Aufschwung ein. Die Stadt trat in eine Phase ein, die wir heute als die goldenen Zwanziger kennen. Und Paris hatte eine magnetische Anziehungskraft auf Künstler jedweder Couleur. Ernest Hemingway reiste aus den USA an, Scott Fitzgerald schrieb: „The best of America drifts to Paris. The American in Paris is the best American“ (Das Beste aus Amerika driftet nach Paris. Der Amerikaner in Paris ist der beste Amerikaner).

Mit Salvador Dalí, Luis Buñuel und Man Ray entwickelte sich der Surrealismus im Bild und im innovativen Film.

T.S. Eliot schrieb seine Novelle Sarah & Gerald über die 20er in Paris, Gertrude Stein betrieb bereits seit 1903 einen Salon in Paris, nach dem Krieg kamen viele Künstler und Autoren der sogenannten Lost Generation in ihren Salon, darunter neben vielen anderen T.S.Eliot, F. Scott Fitzgerald, Jean Cocteau und Ernest Hemingway, der seiner Zeit in Paris den Roman A Moveable Feast (Paris - Ein Fest für Leben, 1964 posthum erschienen) widmete.

Wirtschaftlich profitierte Frankreich von staatlichen Investitionen und vom Export, unter anderem in die Vereinigten Staaten. Der Aufschwung profitierte ebenfalls von einer Steigerung der Produktivität in den modernen Sektoren der Wirtschaft wie Metall- und Chemiebranche und der Auto- und Elektroindustrie.

In Zeiten, „als die Dritte Republik sechs neue Kriegsschiffe bauen ließ, ständig Friedensabsichten bekundete, einen Kriegsächtungspakt mit den USA abschloss und die spanische Republik den Faschisten überließ“, da kostete in Paris 1 kg Brot 1 Franc 58.

Das Bulletin périodique des livres nouveaux veröffentlichte am 15. November 1924 folgende Neuerscheinung:

Mme Madeleine Franc-Nohain — Alphabet en Images. 1 alb. 19 x 27, 30 composit. en coul. (6 fr. 50).

Und jetzt, fast 100 Jahre später halte ich dieses Buch in den Händen und es sieht so frisch und lebendig aus, als wäre es erst gerade erschienen. Von einem leichten Gilb der Seiten einmal abgesehen.

30 Seiten

Gezeichnete Alphabet-Geschichten

1924 war Madeleine-Amélie Franc-Nohain 46 Jahre alt und bereits eine etablierte Künstlerin. Ihr Buch Le Journal de bébé erschien bereits 1914 und wurde mehrmals neu aufgelegt: 1927, 1980 von Nestlé und 1987 vom Metropolitan Museum of Art.

Alphabet en Images erschien im Larousse Verlag in Paris. Es war gedacht, um es mit den Herausgebern zu sagen, um Erholung nach der Lesestunde zu sein. Um vielleicht zum ersten Mal auch Freude beim Lesen zu vermitteln. Und es war gedacht als Vorlage für eigene Zeichungen, Ideen und Geschichten, die aus den gezeigten Abbildungen mit Phantasie entstehen konnten.

Der Verlag

Die Édition Larousse sind ein Verlag in Paris, der heute Teil von Hachette Livre ist. Motto und Symbol des Verlages waren die Semeuse, die Säerin, die Samen von einer Pusteblume wegbläst, dazu bis 1993 das Motto „Je sème à tout vent“ („Ich säe aus in alle Winde“). Ich mag das Motto sehr.

Entstanden ist der Verlag aus der Buchhandlung Maison Larousse & Boyer, die 1852 im Quartier Latin zwei Lehrer gründeten: Pierre Larousse und Augustin Boyer. „Das Ziel dieser beiden antiklerikalen Republikaner war es, renovierte Schulbücher für die Grund- und Sekundarstufe zu schreiben, nach dem Vorbild der von Louis Hachette seit 1833 angebotenen Lehrbücher.“ (Quelle: Wikipedia.fr)

Pierre Larousse arbeitet 25 Jahre lang (sic!) am Grand dictionnaire universel du xixe siècle, das von 1866 bis 1877 in 15 Bänden und 20800 Seiten erscheint. Dagegen nimmt sich mein Jenny Lind Projekt, an dem ich jetzt ungefähr 11 Monate arbeite ja Null und Nichtig aus.

Das Buch

Alphabet en Images

Das Buch ist 31,5 cm hoch und 24,5 cm breit. Es hat einen farbigen Einband und enthält 32 farbige, illustrierte und unnummerierte Seiten und ist etwa 7 mm dick.

Der Einband besteht aus farbig kaschierten 1mm dicken Karton der durch einen Buchrücken - aus einem, den Titel und den Rücken schmal überlappendem Buchbinderleinen in signalroter Farbe - zusammengehalten wird. Auf einem Hintergrund in raffiniert flirrender grün-gelber Leinenoptik ist eine weiße Fläche von Breite 19, 5 cm x Höhe 20 cm aufgelassen, in der, umrahmt von einer fetten Linie in 2,1 pt oder 2 Didot-Punkten, die erste farbige Illustration gedruckt ist.

Oberhalb der weißen Fläche ist in 52 pt/36 pt großen, stark gesperrten Versalien der Titel des Buches in einer Grotesk-Schriftart schwarz abgedruckt: ALPHABET EN IMAGES

Dem Einband folgt ohne Vorsatz direkt der Titel. Hier sind im Blocksatz genannt:

Autorin: Marie-Madeleine Franc-Nohain
Titel: Alphabet en Images
Inhalt: 31 Gravures en couleurs
Verlag: Librairie Larousse – Paris (VI°) 13 à 21, rue Montparnasse, et boulevard Raspail, 114

Das Titelblatt zeigt zwischen Titel und Inhaltsangabe eine weitere 3-farbige Illustration in der Größe B 11 cm x H 8 cm.

Der Titelseite folgt auf dessen Rückseite eine Einführung der Herausgeber in das Buch. Der Text ist im Blocksatz in einer 16pt Grotesk gesetzt, der erste Absatz verfügt über eine Initiale, die über 2 Zeilen geht. Der Text lautet:

Alphabet en Images

Chers Enfants,
Ce joli livre sera votre récréation après la leçon de lecture. C'est avec joie que vous retrouverez ici les lettres de l'alphabet apprises en classe ; mais elles auront pour vous, cette fois, une physionomie plus gaie, parce qu'elles sont groupées de façon à former des phrases amusantes et qu'elles accompagnent de belles images, pour le plaisir de vos yeux.
Vous goûterez donc vraiment, et pour la première fois sans doute, le charme de la lecture.
Les petits tableaux qui ornent ces pages seront d'agréables sujets de causerie en famille; ils vous rappelleront les grands événements de votre jeune vie. Ils seront de plus pour vous d'excellents modèles de dessin; vous vous en inspirerez avec fruit pour composer d'autres images que vous pourrez ensuite colorier à votre fantaisie. LES ÉDITEURS.

Und in der deutschen Übersetzung

Alphabet en Images

Liebe Kinder!
Dieses schöne Buch wird eure Erholung nach der Lesestunde sein. Mit Freude werdet Ihr hier die Buchstaben des Alphabets wiederfinden, die Ihr im Unterricht gelernt habt, aber diesmal werden sie für Euch eine fröhlichere Physiognomie haben, weil sie so gruppiert sind, dass sie lustige Sätze bilden, und weil sie schöne Bilder begleiten, um Eure Augen zu erfreuen.
Ihr werdet also wirklich - und wahrscheinlich zum ersten Mal - den Reiz des Lesens erleben.
Die kleinen Bilder, die diese Seiten schmücken, sind angenehme Themen für Familiengespräche und werden Euch an die großen Ereignisse Eures jungen Lebens erinnern. Außerdem sind sie ausgezeichnete Zeichenvorlagen für Euch, und Ihr werdet Euch gerne von ihnen inspirieren lassen, um weitere Bilder zu erstellen, die Ihr dann nach Eurer Fantasie ausmalen könnt. DIE HERAUSGEBER.

Unterhalb des Textes schließt die Seite ein Ornament aus Zweigen und Blumen ab.

Vorsatzblatt, Titel. Alphabet en Images, Marie-Madeleine Franc-Nohain
Vorsatzblatt, Titel. Alphabet en Images, Marie-Madeleine Franc-Nohain
30 illustrierte Seiten

Das Alphabet von A bis Z

Es folgen 30 Seiten auf einem rauhen, offen wirkenden Papier mit einem geschätzten Kartongewicht von 160 gr/m2 mit Illustrationen und kurzen Versen zu jedem Buchstaben des Alphabetes von A-Z, zu den Buchstaben M, P, S, V gibt es jeweils 2 Seiten. Vielleicht gefielen dem Verlag die Illustrationen so gut? Allerdings gilt es auch immer auf Seitenzahlen zu kommen, die durch 4 teilbar sind. 

Jede Seite ist ähnlich aber sehr abwechslungsreich gestaltet und in drei Farben gedruckt. Jede Doppelseite hat entweder Blau oder Grün als bestimmende Hauptfarbe. In ihr sind die Hintergrundillustrationen gedruckt, ebenfalls die Doppellinien, die Illustration und Merkvers umgeben. Die Hauptfarbe ist die dritte Druckfarbe der Illustrationen, neben Rot und Schwarz.

Die dreifarbigen Illustrationen sind B 14 cm x H 17 cm groß und werden von einer fetten, in etwa 2,1 pt oder 2 Didot-Punkten schwarzen Linie eingerahmt. Unter den Illustrationen befindet der aufwändig in verschiedensten Fonts gedruckte Verse.

Vers und Illustration werden desweiteren von einem farbigen Rahmen mit Doppellinie umgeben, dieser ist B 15 cm x H 22,2 cm groß. Innen eine dünne Linie in 1 pt Dicke, außen eine fette Linie in 2,1 pt oder 1 Didot-Punkt. Den Rahmen umgeben weitere Illustrationen, die nur als Strichzeichnungen ausgeführt und nur einfarbig in der Hauptfarbe gedruckt sind. Insgesamt gibt es 4 verschiedene Hintergrundillustrationen, die wahlweise in blau oder grün gedruckt wurden. 

1 Luftballons

Einzelne Buchstaben des Alphabetes mit Großbuchstaben in Luftballon-ähnlichen Kreisen dargestellt, teils verdreht, zwischen ihnen fliegen im obereren Teil Vögel umher; unten stehen und sitzen drei Mädchen. Ein Mädchen hat einen Buchstabenballon (Z) fliegen lassen und in der anderen Hand eine Katze an der Leine, ein Mädchen sitzt und schaut auf die Katze, ein weiteres Mädchen hält die Leine für den Ballon mit dem Buchstaben A noch in der Hand, dafür hat sich der kleine Hund links neben ihr aber von der Leine in ihrer anderen Hand losgerissen

2 Der angelnde Junge

Der angelnde Junge hält gebückt stehend oben links auf der Seite seine Angel in ein Gewässer, in dem einfach gezeichnete Fische schwimmen und unten rechts noch eine Wasserpflanze zu sehen ist

3 Seifenblasen

Zwei Mädchen oder ein Mädchen und ein Junge blasen Seifenblasen in die Luft, sie stehen unten auf der Seite, neben ihnen ein Hund vor seinem Fressnapf, daneben ein Schemel, auf dem ein Gefäß mit der Seifenblasenflüssigkeit steht. Oben auf der Seite fliegen zwei Engelsputten durch das Bild und versuchen die Seifenblasen zu fangen.

4 Spielende Kinder

Die Hintergrundillustration zeigt spielende Kinder. Oben im Bild tragen Jungen eine kleine Flagge von rechts nach links, dann sind Kinder zu sehen, die mit Bällen spielen, mit Puppen und Puppenwagen oder sich zu einer Pflanze bücken und dabei eine Ente auf einem Brett hinter sich her ziehen.

 Zu jeder Buchstabenseite des Alphabetes gibt es einen französischen Merkspruch. Dieser ist in einer auffälligen Typografie unter die Illustration gedruckt. Die Merksprüche, die, nebenbei gesagt, auch gut zur Findung eines französischen Vornamens taugen, lauten:  
  
A - Amélie et son Ane s'avancent dans l'allée plantee d'arbes.
B - Bernard met son bateau dans la baignoire
C - Colette dans ca cabane donne des coquelicots à son cabri.
D - Denis dîne du dos d'un dodu dindon
E - Elise appelle son écureuil pour jouer avec son éléphant
F - Firmint construit un fort au pied de la falaise
G - Giséle a acheté des gàteaux pour son goûter
H - Hector regarde l'heure à l'horloge
I - Isabelle aime les images
J - Jean dans le jardin joue avec les jars
K - Kate admire son kangourou
L - Léopold sort avec sa lanterne pour attirer les lucioles
M - Martin avec médor garde ses moutons
M - Marguerite cueille du muguet au mois de mai
N - Nicolas a trouvé un nid dans un noisetier
O - Odile sous son ombrelle respire l'odeur des oiellets 
P - Pierre près du pont peche des poissons
P - Paulette dans son panier porte du pain aux poules
Q - Quentin qui a mal aux quenottes boit de la tisane des quattes fleurs
R - Rosine écoute de rossignol chanter sa romance
S - Sylvain a peur d'une souris cachée dans son cabot
S - Sophie sommeille sur le sopha du salon
T - Thomas joue à la toupie aux tuileries
U - Ursule utilise ses ustensiles de cuisine
V - Vincent ca au village vendre son veau
V - Virginie va rendre des visites
W - Wilhelmine en waterproof regarde par la portiére de wagon
X - Xavier boit den cachette un verre des xérés
Y - Yvon dans sa yole brandit son yatagan
Z - Zoé sur un zébre se proméne au jardin zoologique

Für all jene, die des Französischen nicht so mächtig sind hier in der Übersetzung

A - Amelie und ihr Esel gehen in die mit Bäumen bepflanzte Allee.
B - Bernard legt sein Boot in die Badewanne.
C - Colette in ihrer Hütte füttert ihr Zicklein mit Mohnblumen.
D - Denis diniert vom Rücken eines fetten Truthahns.
E - Elise ruft ein Eichhörnchen, um mit ihrem Elefanten zu spielen.
F - Firmint baut ein Fort am Fuß der Klippe.
G - Giséle hat Kuchen für ihren Snack gekauft.
H - Hector schaut auf der Standuhr nach der Uhrzeit.
I - Isabelle mag Bilder
J - Jean spielt mit den Gänsen im Garten
K - Kate bewundert ihr Känguru
L - Leopold geht mit seiner Laterne nach draußen, um die Glühwürmchen anzulocken.
M - Martin mit Medor hütet seine Schafe
M - Marguerite pflückt im Mai Maiglöckchen.
N - Nicolas hat ein Nest in einem Haselnussstrauch gefunden.
O - Odile atmet unter ihrem Schirm den Duft der Nelken ein. 
P - Pierre fischt an der Brücke nach Fischen
P - Paulette trägt in ihrem Korb Brot zu den Hühnern.
F - Quentin, dem die Zähnchen weh tun, trinkt Kräutertee aus vier Kräutern
R - Rosina hört der Nachtigall zu, wie sie ihre Romanze singt.
S - Sylvain hat Angst vor einer Maus, die sich in seinem Anhänger versteckt.
S - Sophie schlummert auf dem Sofa im Wohnzimmer.
T - Thomas spielt in den Tuilerien mit einem Kreisel.
U - Ursula benutzt ihre Küchenutensilien.
V - Vincent geht ins Dorf, um sein Kalb zu verkaufen.
V - Virginie geht zu Besuch
W - Wilhelmine schaut aus der Wagentür.
X - Xavier trinkt heimlich ein Glas Sherry.
Y - Yvon schwingt in seiner Jolle seinen Yatagan.
Z - Zoe reitet auf einem Zebra in den Tiergarten.

Jedes Bild erzählt eine kleine Geschichte. Jungs wie Mädchen halten sich in etwa die Waage. Die Bilder erzählen von ganz Alltäglichem, wie aber auch von kleinen Ängsten (Mäuse), wie auch von Verbotenem (heimlich Sherry trinken), vom Reisen, vom spielerischen und ernsten Umgang von Kindern mit Tieren, vom Kranksein, vom Essen und Ausruhen, vom Schlafen und Riechen, vom Zuhören und vom Erleben der Welt drinnen und draußen.

Die Sprüche sind so einfach einprägsam. Die Illustrationen erleichtern es, die erzählten Geschichten, die Merksprüche zu erlernen. Häufig sind Tiere oder Objekte im Anschnitt zu sehen, ich finde das macht deutlich, dass die Szenen sich auch außerhalb der Bilder fortsetzen.

Die Bekleidung der Kinder ist meist leicht und sommerlich und abwechslungsreich ausgeführt, die Haare sind fast einheitlich lang und glatt oder lockig frisiert, viele Kinder tragen Hüte. 

Zu sehen ist ein Mikrokosmos, in dem nur Kinder, Tiere und Spielzeug zu sehen sind. Bedrohliches, Verängstigendes ist den Zeichnungen fern. Die Kinder sind nicht statisch, sondern in Bewegung dargestellt. Die Illustrationen sind mit viel Liebe zum Detail gezeichnet, Tiefe entsteht durch Objekte im Vorder-, Mittel- und Hintergrund.

Titelillustration. Alphabet en Images, Marie-Madeleine Franc-Nohain
Titelillustration. Alphabet en Images, Marie-Madeleine Franc-Nohain
Die Titelillustration

Giséle vor der Patisserie

Das Mädchen auf dem Titel heißt Giséle, sie begegnet uns in einem anderen Kleid noch einmal beim Buchstaben G.

Dort erfahren wir auch, dass sie sich gerade in einer Patisserie etwas für ihren Imbiss oder Nachmittagskaffee gekauft hat. Dort heißt es nämlich: Giséle a acheté des gàteaux pour son goûter.

Den Inhalt können wir nicht sehen, der Patissier hat es aufwändig in weißes Papier, mit einem Band herum eingepackt. Giséle hält das kleine Päckchen in ihrer rechten Hand, unter den linken Arm hat sie sich einen orangefarbenen Schirm geklemmt.

Giséle ist elegant angezogen. Vielleicht der erste Indikator dafür, sind die weißen Handschuhe an ihren Händen. Sie trägt ein helloranges Kleid, das mit roten Herzen bedruckt ist und einen schwarz eingefassten Halsausschnitt hat. Das Kleid hat kurze Arme und ist an der Taille geschnürt. Dazu trägt sie einen gleichfarbigen Hut mit schwarzem Hutband. Giséle trägt schwarze Schuhe mit weißen Gamaschen und passend zum Kleid kurze, hellorange-farbene Strümpfe mit schmalen, senkrechten roten Streifen.

Sie hat rote, gelockte Haare, kleine schwarze Knopfaugen und einen puppenartig kleinen Mund und auffallend rote Wangen. Ob vor Aufregung um den Einkauf oder weil sie einfach ein quicklebendiges, gesundes junges Mädchen ist, wir wissen es nicht.

Hinter Giséle tollt ein elegant aussehender, schlanker, weiß-schwarz gescheckter Hund auf dem sandfarbenen Weg vor der Patisserie. Wir können nur vermuten, ob er zu ihr gehört, sein Schnauze ist ihr zwar zugewendet, aber es gibt keine Leine, die den Hund mit Giséle verbindet.

Es sieht aus, als hätte die elegante Giséle gerade erst die Patisserie verlassen, man sieht das Geschäft mit seiner kieferngrün gestrichenen Fassade direkt hinter ihr. Vielleicht ist es sogar die Tür hinter ihr, sie ist mit dem Aufdruck Patisserie in dekorativen schwarz-gelb gestreiften Lettern diagonal beschriftet, die Scheiben flirren bläulich. In den Auslagen kann man einige Gebäckstücke sehen, aber nicht genau erkennen. Auf einem Stapel liegen links in der Auslage einige Tomaten, auf einem Regalbrett im Schaufenster oben mittig eine aufwändige Schachtel.

Die Abbildung lässt viel offen, was für Kinder und Erwachsene gleichermaßen Grund zur Freude ist. Hier bleibt viel Raum für Phantasie.

Buchstabe A. Alphabet en Images, Marie-Madeleine Franc-Nohain
Buchstabe A. Alphabet en Images, Marie-Madeleine Franc-Nohain
Der Buchstabe A

Amélie und ihr Esel

Beim Buchstaben A lautet es im Original unter der drei-farbigen Illustration: „A - Amélie et son Ane s'avancent dans l'allée plantee d'arbes.“ – Amelie und ihr Esel gehen in die mit Bäumen bepflanzte Allee.

Stilvoll führt die Allee natürlich nach der Innenseite des Buches und nicht aus ihr heraus. Im Hintergrund sieht man den grauen, mit einem weiß-rot beladenen Esel die Allee hinunter gehen. Vor einem gestuft blauen Himmel sind graue Bäume und hinter ihnen eine von einem weißen Holzgatter umstellte Wiese zu sehen. Die Bäume tragen rote, spitze Blätter, vielleicht ist es schon Herbst?

Dem Esel läuft Amélie hinterher. Amélie trägt eine Puppe in ihren Händen. Vielleicht möchte sie die Puppe in die Trage setzen?

Amélie trägt ein hübsches helles Kleid mit einem blau-roten floralen Muster darauf, zu roten Schuhen trägt sie kurze weiße Socken. Ihre dunklen gelockten Haare bedeckt eine gestrickte rote Kappe. Die Puppe trägt ein Kleid mit einem blau-roten sich kreuzendem Streifenmuster. Die Puppe hat rote Socken zu weißen Schuhen. Amélies Blick wirkt ein wenig überrascht oder erstaunt, vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein.

Im Vordergrund stehen ein paar Tulpen, einige von ihnen sind fast verblüht.

Der Buchstabe B. Bernard und seine Badewanne. Alphabet en Images, Marie-Madeleine Franc-Nohain
Der Buchstabe B. Bernard und seine Badewanne. Alphabet en Images, Marie-Madeleine Franc-Nohain
Der Buchstabe B

Bernard und seine Badewanne

Zur Abbildung heißt es: „Bernard met son bateau dans la baignoire“ – „Bernard legt sein Boot in die Badewanne.“

Vor einem eindrucksvollen, bildprägenden weiß-roten, quadratisch gefliestem Fliesenspiegel sehen wir Bernard, wie er sich über eine graue, frei stehende Badewanne beugt und sein weißes Segelboot zu Wasser lässt. Teile des Segelbootes werden durch den Rand der Badewanne verdeckt, wir wissen nicht, ob noch mehr in der Badewanne schwimmt.

Bernard trägt passend zum Segelboot einen weißen Matrosenanzug, weiße Socken und schwarze Schuhe und kniet mit einem Bein auf einem grün gepolsterten Stuhl. Von ihm sehen wir kein Gesicht, nur den Hinterkopf. Ob er gücklich ist, oder nicht lässt sein Hinterkopf als Projektionsfläche für unsere Phantasie offen. Im besten Sinne von Billy Wilder, der einmal sagte, er würde weinende nur von hinten filmen, da die Trauer dann erst im Kopf des Betrachters entstünde.

Fazit

Unschuldiger Kinderkosmos

Als Mutter von drei Kindern und seit mehreren Jahren im Illustrieren von Kinderbüchern geübt, schafft Marie-Madeleine Franc-Nohain (oder Madeleine-Amélie Franc-Nohain) einen ganz eigenen, unschuldigen Kosmos, voller Ideen und Phantasie. Sie illustriert ein Kinderleben, wie es in seiner Unschuld und in seinem Frieden wohl nicht mehr existiert und damals wohl nur für eine Elite so existierte. Teilweise handeln die Kinder in den Illustrationen wie kleine Erwachsene, sie kaufen selbstständig ein, führen große Tiere aus oder spazieren (Esel, Zebra), gehen mit Kälbern auf den Markt oder reisen alleine mit dem Zug.

Dabei geht alles gewaltfrei und friedlich zu. Die Umwelt wird drinnen und draußen entdeckt. Dabei bleibt den Leserinnen und Lesern, erwachsen oder im Kindesalter noch viel Raum und Platz die Geschichten weiter zu spinnen oder weiterzuspielen.

Die Merksprüche sind schön getextet und für mich mit meinen Französischkenntnissen eine echte Aussprache- und Textübung - sogar in diesem Artikel (Die ganzen Alt-Tasten-Kombinationen für die französischen circumflex-Buchstaben.)

Seine fast 100 Jahre Alter sieht und merkt man dem Buch nicht an. Es ist ein sehens- und lesenswertes Dokument des Designs der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts und zeugt von der hohen Qualität der Illustrationen dieser Künstlerin.

Ich würde mich sehr freuen, wenn dieser Artikel ihr zu mehr Bekanntheit verhelfen würde. Schaut Euch auch gerne die anderen Seiten an, das Buch gibt es digital im Online-Archiv der Bibliothéque National de France.

Quelle: ZVAB, Antiquariat Franziska Bierl
Quelle: ZVAB, Antiquariat Franziska Bierl / Link : https://www.zvab.com/Alphabet-images-Franc-Nohain-Marie-Madeleine-Paris-Larousse/13919338179/bd
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Durch Zufall habe ich nach Fertigstellung des Artikel bei ZVAB eine andere Ausgabe von Alphabet en Images gefunden. Laut Antiquariat und dem Eintrag in das Verzeichnis der  Cotsen Children's Library von 1926 mit der Eintragsnummer 3470 ist es eine Ausgabe von 1923. Dann wäre diese Ausgabe vor der obigen erschienen und man hätte danach die obige Ausgabe in einer Neuauflage gedruckt. Leider fehlen sowohl in dieser, als auch in der oben genannten Ausgabe Jahreszahlen des Druckes.

Der Umschlag unterscheidet sich deutlich von der - wahrscheinlich - späteren Ausgabe oben. Das Bildmotiv ist nicht quadratisch sondern oval ausgeschnitten, statt einer Grotesk kommt eine Egyptienne mit stark betonten Serifen zum Einsatz. Sowohl Titel als auch Autorin sind zentriert über die Abbildung gedruckt. Auch unterscheidet sich das gewählte Motiv von der zweiten Ausgabe.

Hier ist nicht Giséle vom Buchstaben G vor der Patisserie gezeigt, sondern die Abbildung zeigt die beiden Mädchen vom Innentitel, die unter einem Baum sitzen.

Vielen Dank an Franziska Bierl, vom Antiquariat Franziska Bierl in Eurasburg, die mir freundlicher Weise die Erlaubnis erteilt hat, das Bild hier zu veröffentlichen. Das ist nicht selbstverständlich für mich. 

Diese Ausgabe kann, stand von heute, 18.02.2022 noch bei ZVAB erworben werden. 

tl, dr;

Ich beschreibe und analysiere das Kinderbuch Alphabet en Images der französischen Illustratorin und Kinderbuchautorin Marie-Madeleine Franc-Nohain. Das Buch erklärt in leicht merkbaren Sätzen das Alphabet auf über 30 Seiten. Alle Merksätze sind wunderschön illustriert.

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