Festina Lente – Eile mit Weile

Auf der Suche nach der richtigen zu mir passenden Renaissance- oder Barock-Antiqua

Eine kleine sehr persönliche und typografische Reise durch die europäische und amerikanische Antiqua-Geschichte mit freundlicher Begleitung einiger historischer Persönlichkeiten wie Aldus Manutius, John Baskerville und Benjamin Franklin. Natürlich habe ich mich am Ende auch für eine Variante entschieden, das ist jene, die ihr hier seit 3 Jahren zu Gesicht bekommt.

Vorüberlegungen

Wo anfangen und vor allem, wo aufhören?

Jubiläum! Der 70ste – in Worten siebzigste – Beitrag in diesem Blog. Nicht mit gezählt die Reiseberichte, die Beiträge in Malerei und Fotografie. Ich freue mich und bin sehr dankbar, dass Ihr dies hier lest. Ich hoffe, ich kann Euch auch in den nächsten Jahren weiterhin interessante Geschichten aus meinem Leben und über die Ideen, Ideale, Personen und Ereignisse erzählen.

Natürlich gibt es viele Kriterien, nach denen man Typografie für ein Projekt beziehungsweite Website-Design-Projekt wie dieses auswählen kann. Typografie-Bücher oder Websites sind voll davon. Man kann es lernen und das habe ich. In der Regel gibt es allerdings ein vorhandenes Corporate Design, dann ist die Schriftenauswahl bereits erledigt. Oder es existiert eine bestimmte Zielgruppe oder ein Kommunikationsziel, nach dem man sich bei der Auswahl von Schriften richten kann. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne schrieb Hermann Hesse so schön, wohl verschweigend, dass dem schönen Zauber meist viel Arbeit folgen muss. Und nachdem bei der Recherche dann so viel Material angefallen ist, konnte doch auch gleich ein Artikel daraus entstehen.

Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten

Der 1974 erschienene philosophische und autobiographische Roman von Robert M. Pirsig lotet nicht nur das Verhältnis zwischen subjektiver und objektiver Qualität aus, er ist auch eine anrührende Vater-Sohn-Geschichte und gibt mit der "Ziegelstein"-Geschichte wertvolle Anregungen zur Themenfindung beim Essay- beziehungsweise Artikelschreiben.

Nachruf in der FAZ
Nachruf in der SZ
NYT article from 1975

Die gewählte Schrift sollte in allen Größen gut lesbar sein und bei Auswahl verschiedener Schrifttypen - zur Darstellung auf einer gemeinsamen Seite - sollten sie auch zueinander passen. Rationale Kriterien sind aber nicht alles, denn womöglich verfügen die meisten Dinge - Dinge im nominalistischen Sinne - über eine subjektive und eine objektive Qualität, in dem Sinne wie Robert M. Pirsig sie aufgeschrieben hat. Daneben steht die historische und gesellschaftliche Qualität, denn die ausgewählte Schrift trägt über ihr Schriftbild noch mehr zu uns. Etwas, das wir vielleicht nicht sehen oder nicht merken, aber das sich wie Blütenstaub einer längst vergangenen Epoche auf unsere Wahrnehmungsrezeptoren legt.

Aus den genannten Gründen und weil mein Wissen zur Antiqua-Geschichte alles andere als Up-to-Date war, bin ich einen langen, komplexen und komplizierten Weg gegangen. Ich warf nicht einfach nur einen Blick in das Fontshop-Schriftenverzeichnis oder Google Fonts. Ich habe mich in der Geschichte umgesehen und versucht mich mit Ideen, Ereignissen und Personen der Antiqua-Geschichte vertraut zu machen. Das hat lange gedauert. An anderer Stelle habe ich es mir auch leicht gemacht. Ich habe mir nicht alle Antiqua angeschaut. Die Proto-Antiquas, einige der nach 1500 teils in Deutschland, in Italien, in Frankreich oder den Niederlanden oder anderswo auf dieser Welt geschnittenen Antiqua irgendwelcher Provenienz - ich habe sie teils links liegen gelassen, mit Nichtachtung gestraft oder sie übersehen. Es ist nicht ihre Schuld, es ist meine.

Es ist dieser Artikel, der für die meisten der typografischen Auszeichnungen und Stile innerhalb der Website verantwortlich ist. Ich habe ihn direkt in HTML 5 angelegt, in diesem Artikel habe ich die Stile für die Marginalien und die verschiedenen Zitatmöglichkeiten ausprobiert und angelegt. Nur wurde er 2019 so lang, dass ich ihn bei aller Detailverliebtheit nicht fertig schrieb. Da ich 2023 zu dem Jahr erklärt habe, in dem ich alle die meisten meiner angefangenen Projekte beenden möchte, ist es Zeit diesen Artikel so gut zu machen, dass ich ihn veröffentlichen möchte und kann. Auch jetzt wird es mir kaum möglich sein, eine vollständige Geschichte der Antiqua zu schreiben, deshalb bleibt die Auswahl der gezeigten Typografien, der genannten Personen und Geschichten bewusst subjektiv.

Wie Steine an einem Strand

Welche Schriftart ist die Richtige?

Die zum Thema der Website oder zu mir passt, stupid! Klingt einfach, aber es gibt wahrscheinlich ungefähr so viele Schrifttypen, wie Steine an einem Strand in der Bretagne.

Local Hero

Es gibt im Film Local Hero von Bill Forsyth aus dem Jahr 1983 eine wunderbar poetische Szene, als Burt Lancaster eine Hand voll Sand in seine bemerkenswert großen Hände nimmt und sagt: Would you pay me a pound for every grain of sand in my hand?. An diese Szene musste ich denken. Spoiler: Die Anzahl der Körner ist endlich, und das macht doch .

IMDB Local Hero
Quote bei IMDB

Und wer hat nicht schon einmal am Strand einen Stein aufgehoben oder sich den Sand durch die Finger rieseln lassen? Man geht am Meer spazieren, wirft den Blick hinunter zu seinen Füßen und sucht mit den Augen die Steine nach einer schönen Farbe oder einer interessanten Form ab. Wie die Menge der Steine dann ein visuelles Rauschen erzeugen, geben die Wellen den Soundtrack dazu und wenn man den Blick hebt, kann man auf das Meer schauen und die Augen sich im Grau oder Blau des Horizonts entspannen lassen.

Aber es gibt Abertausende von Steinen 1 am Strand und darunter viele viele schöne. Das macht es nicht einfacher, auch wenn man jetzt denken würde, man findet sicher einen. Aber ist es auch der Richtige?

Anfangen könnte man damit, dass man an den richtigen Strand geht. Ja, das klingt nicht nach dem Weg zur Wahl der richtigen Blogtypografie, aber das kommt noch. Was könnte der richtige Strand sein? Der Renaissance-Strand, der Barock-Strand oder der präklassizistische?

Harold and Maude

Harold and Maude ist ein Film von 1971. Regie führte Hal Ashby nach einem Drehbuch von Colin Higgins. Oscargewinnerin Ruth Gordon spielt neben Bud Curt die Hauptrolle in einem Film, über den IMDB schreibt: Young, rich, and obsessed with death, Harold finds himself changed forever when he meets lively septuagenarian Maude at a funeral.

Quote: Sript o rama
Archive.org: Harold and Maude

Im wunderbaren Film Harold and Maude wirft Maude den Ring, den ihr Harold geschenkt hat, ins Meer. Es ist eine wunderbare poetische und theatralische Geste, denn sie sagt zu ihm, als er sie geschockt ansieht, Jetzt weiß ich immer, wo er ist. Im Original sagt sie So I'll always know where it is. (Quelle: script o ramaa>) Im romantischen Sinne der Suche nach einem perfekten Strand wäre für Harold wohl dieser Strand ein guter Anfang, denn mit einem Stein von diesem Strand könnte er eine emotionale Beziehung eingehen, die ihn immer an dieses Erlebnis mit Maude und dem Ring erinnnert. In unserem Sprachgebrauch würde man es wohl Andenken nennen und es viele rationale Menschen als kitschig oder sentimental bezeichnen.

Ich suche also nach Steinen i.e. nach Schriften, die für mich eine emotionale Bedeutung haben, die zu mir passen und die nicht zuletzt natürlich technisch und gestalterisch funktionieren und gut lesbar sind.

Hilfreich bei der Auswahl kann auch die Klassifizierung der Schriftarten in Deutschland über die DIN 16518 sein. Diese nennt für die Antiqua diese Schriftart-Klassifizierungen:

  • Venezianische Renaissance-Antiqua
  • Französische Renaissance-Antiqua
  • Barock-Antiqua
  • Klassizistische Antiqua
  • Serifenbetonte Linear-Antiqua
  • Serifenlose Linear-Antiqua
  • Antiqua-Varianten

Dieses Einteilung steht allerdings schon seit Jahren in der Kritik, weil es zum Beispiel den Begriff Barockantiqua außerhalb Deutschlands überhaupt nicht gibt, diese eigentlich vorklassizistische Antiqua heißen müssten. Mehr dazu auf der Website schriftgestaltung.com

IBM Plex Mono, Grafik: Cronhill
IBM Plex Mono, Grafik: Cronhill
Erste Etappe

Brot und Butter: der Fließtext

IBM zur IBM Plex Mono

We created Plex as part of a system, and as part of our identity. Just like the other elements of our brand; just like mankind and machine; Plex and IBM are better together.

Quelle: IBM Plexness

Ich wollte für den Fließtext von cronhill.de gerne eine Schrift, die Retro-Charme und Werkstattcharakter ausstrahlt. Irgendwie war mir klar, dass es eine Monospace-Schrift sein würde und so fiel die Wahl aus verschiedenen Gründen auf die relative neue, von Bold Monday für IBM entwickelte IBM Plex Mono.

Die IBM Plex Mono

Die IBM Plex Mono ist eine Monospace-Schrift, das heißt, eine dicktengleiche nichtproportionale Schriftart mit einer festen Zeichenbreite (Dickte).

Heute setzt man in der Regel Monospace-Schriftennur noch beim Coding (Schreiben von Programmcode) ein. Dort schätzt man vor allem die gleiche Zeichenbreite, weil untereinander geschriebene Codezeilen, Variablen oder andere Bausteine, die man zur Softwareentwicklung schreibt oder programmiert, vertikal fluchtend untereinander stehen.

Auch das dicktengleiche Einrücken von Codezeilen mit Leerzeichen oder festen Tabs wird durch Monospace-Schriften erleichtert und verbessert die Code-Übersicht.

Früher hatten Monospace-Schriften noch eine über das Coding hinausgehende Bedeutung im Tabellensatz von Texten und Zahlen in der Buchhaltung und der manuellen Tabellenkalkulation.

Zurück zur Typo. Mal wieder.

Ich nenne mich gerne Barock- und Renaissance-Liebhaber. Und zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Artikels - im Entwurfsstadium dieser Website - hatte ich der IBM Plex eine ziemlich schlicht gestaltete Grotesk in Form der Raleway zur Seite gestellt.

Mein Freund Arne Kamola wies mich darauf hin, dass dies kaum zu meiner Aussage passen würde, ich sei Barock- und Renaissance-Liebhaber. Ob ich nicht einmal über den Einsatz einer Antiqua nachgedacht hätte?

Die Antiqua

Bei der Schriftenfamilie Antiqua leitet sich die Bezeichnung etymologisch von der lateinischen weiblichen Form zu ›antiquus« für ›vorig, alt‹, einer Nebenform von ›anticus‹ für ›der vordere‹ vom lateinischen ›ante‹ für ›vor‹ ab. Mit ›Antiqua‹ ist somit die ›alte Schrift‹ gemeint. (Quelle: Typolexikon)

Womit wir wieder bei den Steinen wären.

Der Strand ist groß, die Auswahl schwierig. Soll es der Barockstrand oder der Renaissancestrand sein? Und wenn es der eine oder der andere ist, dann welcher Abschnitt? Der italienisch geprägte venezianische Abschnitt, oder der französische, niederländische oder englische? Soll es vielleicht eine neugezeichnete Antiqua sein, die mehr für den Bildschirm optimiert ist? Oder möchte ich meine Auswahl nur nach meinen Lieblingsprotagonisten des Renaissance- und Barockzeitalters richten?

Mehr Know-how tut Not und ich muss mir noch einmal bewusster machen, was Renaissance und Barock eigentlich und über die allgemein gebildete Auffassung hinaus für mich und die Typografie bedeuten.

Meine Recherchen hier zu habe ich im Folgenden aufgeschrieben und wenn Ihr mögt könnt Ihr mich bei der - wie ich finde interessanten Recherche hierzu - begleiten.

Zweite Etappe

Die Renaissance

Als Renaissance wird allgemein die Übergangsbewegung in Europa zwischen Mittelalter und Neuzeit bezeichnet. Beginnend und ausgehend von Italien im 14. Jahrhundert dauerte sie bis ins 17. Jahrhundert. Diese Epoche kennzeichnet sich durch eine humanistische Wiederbelebung der Werte und Formen der griechisch-römischen Antike in Literatur, Philosophie und Wissenschaft. Ausgelöst und mitgetragen vom Buchdruck und der Wiederentdeckung griechischen und arabischen Wissens (Algebra, arabische Ziffern) erlebte Europa eine Blütezeit, dessen Erbe wir heute an vielen Stellen wiederentdecken können.

Der Humanismus

Was mich an der Renaissance und dem 15. und 16. Jahrhundert so fasziniert, sind insbesondere die humanistische Grundhaltung und Philosophie dieses Zeitalters, das mit dem Humanismus zum Ziel hatte, allen Menschen die gleiche Chance zur bestmöglichen Persönlichkeitsentfaltung zu bieten. Daneben interessiert mich die Überwindung der mittelalterlichen Kunst unter dem Begriff der Wiedergeburt. Renaissance für italienisch rinascita oder Rinascimento [ri?na??i?mento] „Wiedergeburt“).

Philosophen und Gelehrte dieser Zeit machten sich rückbesinnend auf die Suche nach den ursprünglichen Quellen und versuchten sich einen direkten Zugang zu unverfälschten Gestalt des humanistischen Gedankenguts der Antike zu verschaffen. Als Folge davon wurde die Erkenntnis über das griechische und römische Altertum erheblich ausgeweitet und über den Buchdruck einer breiten Öffentlichkeit erstmals zugänglich. Welche Folgen der Buchdruck für die Verbreitung des Wissens hatte, können wir uns heute nur schwerlich vorstellen. Allein den Klöstern und ihre Scriptorien waren im dunklen Mittelalter die Verbreitung von Wissen möglich. Bücher wurden noch bis ins 14. und 15. Jahrhundert hinein abgeschrieben. So kam es, dass mit Anbruch der Rennaissance von Marcus Vitruvius Pollio aka Vitruvs Werk Zehn Bücher über Architektur gerade mal 2 Dutzend über ganz Europa verstreut erhalten geblieben sind. Zugang zu dieser Literatur war nur sehr reichen Menschen oder in Klöstern möglich. Das über Generationen generierte Wissen über Architektur, Philosophie oder Medizin blieb den meisten Menschen in der Gesellschaft verborgen.

Und so kam es, dass der von Mainz ausgehende Siegeszug der Druckerpresse dafür sorgte, dass Literatur mehr Menschen zugänglich wurde. Bis zur Erfindung des Taschenbuchs in den Niederlanden sollte es allerdings noch etwas dauern.

Erasmus von Rotterdam

Desiderius Erasmus, wahrscheinlich 1469 in Rotterdam geboren und am 12. Juli 1536 in Basel verstorben, war ein ruhe- und rastloser Gelehrter, gilt bis heute als ›König der Humanisten‹ und ›kosmopolitischer Vordenker‹ Europas. Seine Mottos waren ›Ein Mensch für sich‹ und ›Weiche keinem‹.

Quelle: Anton J. Gail, Erasmus von Rotterdam: Adagia. Stuttgart 1983, Philipp Reclam Jun.

Alleine Erasmus von Rotterdam, als König der Humanisten verehrt, konnte zu Lebzeiten 27 Ausgaben seiner Adagia, der Aufzeichnungen über die Redewendungen, Aperçus und geflügelten Worte der Römer und Griechen auflegen. (Quelle: Anton J. Gail, Erasmus von Rotterdam: Adagia. Stuttgart 1983, Philipp Reclam Jun.) Womöglich folgte Erasmus von Rotterdam dabei in seiner Intention dem Grundgedanken Ciceros, dass erst die Sprache den Menschen richtig zum Menschen macht. Viele der von Erasmus von Rotterdam aufgezeichneten Redewendungen sind uns bis heute geläufig und werden oftmals anderen Autoren zugeschrieben. Wie zum Beispiel "Eile mit Weile", "Kleider machen Leute" oder "Weit vom Schuß" und "Dem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul". Eine kleine Auswahl findet sich auf Wikipedia.de.

Die Kunst erlebte dabei in der Renaissance unter anderem mit Leonardo da Vincis letztem Abendmahl und seinem Gemälde der Mona Lisa, Michelangelos Skulpturen und seinen Fresken in der sixtinischen Kapelle einen neuen Höhepunkt. Auch in Deutschland schufen mit u.a. Albrecht Dürer, den Cranachs und Holbeins Künstler Werke, die beispielhaft für ihre Epoche stehen.

Fibonacci-Folge

Die Fibonacci-Folge ist die unendliche Folge von natürlichen Zahlen, die mit zweimal der Zahl 1 beginnt und im Anschluss als jeweils die Summe zweier aufeinanderfolgender Zahlen die unmittelbar danach folgende Zahl ergibt.

Die Fibonacci-Folge steht in einem unmittelbaren Zusammenhang zum Goldenen Schnitt. Je weiter man in der Folge fortschreitet, desto mehr nähert sich der Quotient aufeinanderfolgender Zahlen dem Goldenen Schnitt.

Leonardo da Pisa

In das Zeitalter der Renaissance fallen daneben auch die "Wiederentdeckung" beziehungsweise "Neuentdeckung der Perspektive" [^4]. Architektur orientiert sich neu an einfachen geometrischen Formen wie dem Kreis oder dem Quadrat. Wissenschaften definieren sich neu, Mathematik, Mechanik und Wissenschaften machten Fortschritte, die das Weltbild der Menschen in der damaligen Zeit in Frage stellen. Dreht sich die Sonne um die Erde oder die Erde um die Sonne, wie Galileo Galilei behauptete? Als Beispiel in der Mathematik mag gelten, dass zum ersten Mal ein Zusammenhang zwischen dem göttlichen goldenen Schnitt und der von dem italienischen Mathematiker Leonardo da Pisa 1202 entdeckten Fibonacci-Folge hergestellt wird. [^7]

Der mechanisierte Buchdruck

Johannes Gutenbergs Verbesserung der im 15. Jahrhundert bekannten Drucktechniken zu einem Gesamtsystem um das Jahr 1448 hatte im späteren Verlauf die positive Folge, dass es jetzt erheblich leichter war, Bücher in größerer Auflage zu drucken. Zwar waren die zu Beginn in Deutschland in der Textura gedruckten Bücher noch teurer als die handgeschriebenen, aber mit der Verbesserung der Drucktechnik sollte sich dies schnell ändern.

Schnell bildeten sich in Deutschland und seinen Nachbarländern Offizien aus, in denen weitere Drucker begannen das Abschreiben der mittelalterlichen Handschriften durch mit beweglichen Lettern gedruckten Büchern abzulösen.

Dies führte das, dass diese technische Revolution nach und nach die mit der Erstellung von Büchern bechäftigten Handwerksberufe wie die des Illuminatoren oder des Rubrikators nach und nach ablösten. Zwar lebte das Handwerk des Rubrikators noch bis ins 18. Jahrhundert fort, nach anfänglichen Erfolgen mit dem Druck von farbigen Schriftsatzelementen verschwand die Tradition der farbigen Rubriken allerdings in großen Teilen, weil sie drucktechnisch zu aufwendig war.

Der Rubrikator

Ein Rubrikator war ein mit der Rubrizierung beschäftigter Schreiber und Maler, der die Einfügung roter Textelemente in die bereits geschriebene Handschrift übernahm. Er fertigte unter anderem zumeist von Hand die in rot und blau gehaltenen Rubrikenkapitalen an. Damit es bei der Ausmalung nicht zu Schreibfehlern kam, druckte der Drucker für die Initiale einen Platzhalter (Repräsentant) ein. Dieser wurde dann vom Rubrikator übermalt.

Quelle: Wikipedia

Der Buchdruck breitete sich in den Folgejahren bis 1500 schnell über Europa aus. Von Mainz u.a. nach Straßburg, danach u.a. nach Augsburg, Nürnberg, Bamberg, Köln und Basel. Paris und Venedig und von dort aus dann weiter in die Niederlande, nach England, Polen, die Schweiz, Österreich und schließlich über ganz Europa und in die neue Welt.

Victor Hugo schrieb hierzu:

Die Erfindung der Buchdruckerkunst ist das größte Ereignis der Geschichte, die Mutter aller Revolutionen. Sie gab der Menschheit ein neues Ausdrucksmittel für neue Gedanken. Der Geist verwarf die alte Form und griff nach einer anderen; er häutete sich völlig und endgültig wie die Schlange, die seit Adam sein Sinnbild ist.

Quelle: Victor Hugo: Notre Dame von Paris. Leipzig 1962, S. 197. Zit. nach: Kapr 1963, S. 28

Bücher, die bis 1500 gedruckt wurden, werden wissenschaftlich als Inkunabeln oder Wiegendrucke bezeichnet. Dabei nahm Deutschland typografisch einen anderen Weg als seine Nachbarländer. Denn Deutschland behielt im Gegensatz zu diesen die von Gutenberg eingeführte Textura und die ihr nachfolgende Fraktur bei, während sich ausgehend von Italien die Antiqua als dominierende Schrift in den Nachbarländern durchsetzte.

Romain du Roi
Romain du Roi / Link : Quelle: http://ku-viscom.com/: Romain du Roi
Dritte Etappe

Das Barock

Das Barock ist ein Zeitalter der Kunst-, Kultur- und Architekturgeschichte von in etwa 1575 bis 1760/70. Der Barock folgte zeitlich mit einer Übergangsphase auf die Renaissance und breitete sich wie diese zunächst von Italien über Europa bis nach Südamerika aus. Der Barock in Frankreich wird auch als klassizistischer Barock bezeichnet, was man ihm auch in seiner Typografie ansehen kann. (Vergleiche Romain du Roi)

Ich persönlich bin eigentlich erst durch die Lektüre von Lawrence Norfolks schlecht übersetztem Buch Lemprieres Wörterbuch und Neal Stephensons Barock-Zyklus ein richtiger Barockliebhaber geworden.

Lemprière’s Wörterbuch

In seinem Roman 1992 verfassten Roman Lemprière’s Wörterbuch verquickt Lawrence Norfolk genau recherchierte historische Detail- und Milieuschilderungen mit fantasievoll erdachten fiktiven Elementen. Kern der Geschichte ist auf der einen Seite die Geschichte der Erstellung des 1788 erschienen Classical Dictionary durch John Lemprière, diese wird vermischt mit der Entstehung der Ostindien-Handelsgesellschaft und weiteren historischen und erfundenen Ereignissen.

Quicksilver, Confusion und Principia

Neal Town Stephenson

Neal Town Stephenson (* 31. Oktober 1959 in Fort Meade, Maryland, USA) ist ein in Seattle lebender Schriftsteller. In seinen Science-Fiction-Romanen spiegeln sich seine Experimente mit neuen Medien wie virtueller Realität und dem World Wide Web wider. Er gilt deshalb als einer der Hauptvertreter des Cyberpunk. Auf sein Werk Snow Crash geht der Begriff Avatar, in der Bedeutung für animierte Profile, zurück.

Quelle: Wikipedia

Der Barock-Zyklus von Neal Stephenson wurde beginnend mit 2003 in den drei Bänden Quicksilver, Confusion und Principia veröffentlicht. Die Romane spielen Mitte des 17. bis Anfang des 18. Jahrhunderts und erzählen in mehreren Handlungssträngen die Erlebnisse des Mitglieds der Royal Society Daniel Waterhouse, der mehr durch Zufall in den Adelsstand aufsteigenden Ränkeschmiedin Eliza und des Vagabunden Jack Shaftoe und bieten eine umfangreiche Vorgeschichte der Familien, die später auch in Stephensons Roman Cryptonomicon auftreten. Die Epoche von 1655 bis 1714 wird von Stephensons mit vielschichtig und detailliert recherchiertem Hintergrundwissen mit ihren religiösen, politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen und technischen Umwälzungen auf insgesamt über 3000 Seiten in mehreren parallelen, miteinander verwobenen Handlungssträngen dargestellt.

Robert Wiersem,
The Toronto Star

sublime, immersive, brain-throttlingly complex marvel of a novel that will keep scholars and critics occupied for the next 100 years

Quelle: "The Power of Three". The Toronto Star. 2004-10-03. Retrieved 2010-04-01.

Besonders beeindruckt haben mich in den Romanen von Neal Stephenson die halbfiktionalen Darstellungen der historischen Personen des Gottfried Wilhelm Leibniz (* 21. Juni 1646 in Leipzig; † 14. November 1716 in Hannover) beziehungsweise Isaac Newton (* 25. Dezember 1642 in Woolsthorpe-by-Colsterworth in Lincolnshire; † 20. März 1726 in Kensington), die mehr waren, als nur Meister in einem Fach. Während Leibniz und Humboldt oftmals zugleich der Titel "letzter Universalgelehrter" angeheftet wird, gilt Isaac Newton als letzter "Renaissance-Magier", was mit seiner, den meisten Menschen unbekannten Vorliebe für die Alchimie zu tun haben dürfte.[^2]

John Maynard Keynes on
Newton, the man

He was the last of the magicians, the last of the Babylonians and Sumerians (...) Isaac Newton, a posthumous child born with no father on Christmas Day, 1642, was the last wonderchild to whom the Magi could do sincere and appropriate homage.

Quelle: John Maynard Keynes: Newton, the Man

Im Barock verwischen die Grenzen zwischen einzelnen Kunstgattungen wie Architektur, Skulptur und Malerei und führen zu neuen, bis dahin nicht gekannten Gesamtschöpfungen wie dem Schloss und Garten von Versailles oder der um 1600 entstandenen Kunstform der Oper, mit ihrer Mischung aus Gesang, Musik, Dichtkunst, Malerei und Bühnenarchitektur und den Effekten der Bühnenmaschinerie. Unter anderem der durch die beweglichen Schrifttypen in Europa florierende Buchdruck erleichterte den Erwerb und das Teilen von Wissen.

Vierte Etappe

Die Antiqua

Die Druckerpresse wurde im Jahre 1470 in Frankreich eingeführt. Bereits um das Jahr 1515 gab es in ganz Frankreich 100 Druckereien. Wie in Italien waren auch die Drucker in Frankreich in einer schwierigen Situation. Sie waren nicht nur die technisch ausführenden Druckbetriebe sondern in Personalunion Verleger, Publizisten und Autoren. Damit waren sie ab ca. 1540 unmittelbar der Zensur durch die Zensoren an der Pariser Sorbonne unterworfen. Jedes veröffentlichte Buch musste sich dieser Zensur unterziehen lassen und konnte verboten werden.

Eine weitere Bedrohung des Geschäftsfeldes des Druckers und Verlegers bestand durch Raubkopien der gedruckten Werke. Man konnte durch das Pariser Parlement ein cum privilegio oder durch den König ein 5 bis 10 Jahre geltendes Privilège du Roy erhalten.

Druckerdynastie Estienne

So erging es auch der Familie des Pariser Druckers und Verlegers Henri Estienne bzw. in lateinischer Schreibweise Henricus Stephanus. Der ältere Henri Estienne druckte 1502 sein erstes Werk Ethik des Aristoteles. und begründete eine Druckerei, die später sein berühmterer Sohn Robert übernehmen sollte.

Olivenbaum Symbolik

Das Grundbild zeigt einen Olivenbaum mit einem fallenden Ast. (...) folgt der gängigen Interpretation des Abbilds, dass die Olive als den Baum identifiziert, der mit der griechischen Göttin Pallas Athene, der Schutzpatronin der Weisheit und des Lernens, verbunden ist. Ein Teil des göttlichen Wissens fällt auf die Erde, um von Gelehrten zum Nutzen der Menschheit gesammelt und verwendet zu werden.

Quelle: CERL

Dieser führte als Wappen der Druckerei den Olivenbaum ein, von dem ein Zweig herabfällt. Heute trägt das Consortium of European Research Libraries. diesen Olivenbaum als Wappen. Ca. 18 verschiedene Bücher gab seine Druckerei in der Rue Jean-de-Beauvais im Pariser Quartier Latin im Jahr heraus.

Robert Estienne machte sich mit vielen verlegerischen Innovationen einen Namen, deren Tradition sich bis heute fortsetzt. Er war der erste Verleger, der ein lateinisches Wörterbuch herausbrachte, in dem auch die französischen Übersetzungen genannt wurden, das Dictionaire francoislatin (contenant les motz et manieres de parler francois, tournez en latin), für dessen Zweisprachigkeit sich in Absetzung zum Thesaurus der Begriff Dictionaire einbürgerte und bis heute fort besteht.

Seine andere Innovation lieferte er mit der Vereinheitlichung der Einteilung der Bibel in Kapitel und Verse. 1551 gab er in Genf eine griechische Version der Bibel heraus, die erstmalig und einheitlich in Kapitel und Verse eingeteilt war. Während die Kapiteleinteilung auf der Arbeit von Stephen Langton (* um 1150 vermutlich in Langton bei Wragby, England; † 9. Juli 1228 in Slindon, Sussex), dem späteren Erzbischof von Canterbury beruhte, gab es erste Bibelausgaben mit Versangaben schon 1509, wie man an diesem Beispiel sehen kann.

Eine enge Beziehung zu Robert Estienne hegte Geoffroy Tory, ein 1480 in Bourges geborener französischer Buchdrucker und Gelehrter, der unter anderem neue typographische Druckbuchzeichen entwickelte wie zum Beispiel Akzente, Apostrophe, Cedilles. Bei ihm ging der junge Claude Garamond in die Lehre und lernte die Kunst des Schriftenschneidens.

Claude Garamond

Die Plakataffäre von 1534

Antoine Augereau wurde als Drucker am 24. Dezember 1534 auf dem Place Maubert gehenkt und zusammen mit seinen Büchern auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er war als Drucker am Druck von Plakaten beteiligt, die im Rahmen der Plakataffäre unter anderem auch im königlichen Palast von Amboise aufgehangen wurden und die als antikatholische Aktion das Konzept der Eucharistie angriffen.

Quelle: Wikipedia

Claude Garamond (er schrieb sich selbst eigentlich Garamont) wurde 1498 oder 1499 in Paris geboren und starb ebd. 1561. Er war ein französischer Schriftgießer, Typograf, Stempelschneider und Verleger, der zunächst bei Geoffroy Tory, Robert Estienne und Antoine Augereau in die Lehre.

1530 schnitt Garamond seine bis heute berühmte französische Antiqua, die unter dem Namen Garamond um 1620 von Jean Jannon (1580–1658) nachgeschnitten und neu publiziert wurde. Heute gibt es zahlreiche Neuschnitte der Garamond. Hier eine Variante, die Adobe Garamond von Robert Slimbach als Teil der Adobe Originals.

Kardinal Richelieu

Armand-Jean du Plessis, 1er Duc de Richelieu (* 9. September 1585 in Paris; † 4. Dezember 1642 ebenda), kurz Kardinal Richelieu, war ein französischer Aristokrat, Kirchenfürst und Staatsmann. Von 1624 bis zu seinem Tod war er unter König Ludwig XIII. als Erster Minister die bestimmende politische Figur in der französischen Politik.

Quelle: Wikipedia

Viele der heute bekannten Garamond Varianten werden dem Schriftschneider und Drucker Jean Jannon zugeschrieben, er selbst litt unter der Verfolgung durch Kardinal Richelieu, der im Auftrag Louis XIII 1640 die Manufacture royale d'imprimerie im Louvre Palast gründete. Die königliche Druckerei wechselte noch mehrmals danach den Standort.

Druckerdynastie Didot

Als weitere bedeutsame Persönlichkeiten sind Firmin Didot (1730 - 1804) und Pierre Simon Fournier (1712 - 1768) zu nennen. Didot zeichnet sich für die Masseinheit Didot-Punkt und sein Sohn Firmin Didot (1764 - 1836 ) für die Schriftart Didot von 1788 - auf der die heutige Variante von Adobe Adobe Didot beruht - verantwortlich, während Fournier die bis heute gültige Einheit Punkt für die Schriftgröße einführte. Nach Fournier ist die Schriftart Fournier von Adobe benannt.

Romain de L’Empereur

1804 schuf Firmin Didot für die Kaiser-Krönung von Napoleon, den nur ein einziges Mal verwendeten Schriftschnitt »Romain de L’Empereur« (»Kaiser-Antiqua«). Diese exklusive Antiqua enthielt erstmals die spezielle Form der »Les guillemets anglais«, englische Anführungszeichen gesetzt in der Art der traditionellen Guillemets; also »66« und »99« in Minuskelhöhe, die heute als »Französische Anführungszeichen« bezeichnet werden.

Quelle: Beinert, Wolfgang. Typografie [online], Typolexikon.de, Lexikon der Typografie. Ambroise Firmin Didot

Sowohl die Didot als auch die Fournier weisen typische Merkmale der klassizistischen Antiqua auf. Die Strichstärken sind stärker kontrastiert und weisen feine Haarlinien auf. Die senkrechten Grundstriche sind stark und gerade ausgeführt, weshalb sie aus der Ferne betrachtet fast den Charakter von dorischen Säulen aufweisen, da die Senkrechte gekehlt ausgeführt werden muss, um den optischen Dickenzuwachs in der Mitte auszugleichen. Die Serifen stehen flach auf der Grundlinie und weisen gerade oder nur sehr schwach gerundete Übergänge zur Senkrechten auf. Die Schriftachse der runden Buchstabenformen steht im Gegensatz zu den meisten vorklassizistischen Antiqua präzise senkrecht.

Weitere typische und bekanntere Vertreter der klassizistischen Antiqua sind die Bodoni (Giambattista Bodoni, 1740–1813, italienisch), die Walbaum ( Justus Erich Walbaum, 1768-1837, deutsch) und die Century (Linn Boyd Benton, 1844 – 1932, amerikanisch).

Da ich leider nicht im Besitz einer Didot oder Fournier bin, kann ich hier als Platzhalter für eine klassizistische Antiqua nur die italienische Bodoni zeigen.

Während mir die Garamond (s.o.) gut gefällt, sagen mir die klassizistischen Antiqua überhaupt nicht zu. Die klassizistische Strenge und eine gewisse Härte, die die Typen ausstrahlen, all das würde in meinen Augen besser zu einem Banker passen, als zu mir. Außerdem genügt die klass. Antiqua schon den einfachen Anforderungen nicht, die ich zu Anfang festgelegt habe: ihre Entstehungsphase fällt weder in die Renaissance noch in den Barock. Das dies kein endgültiges Ausscheidungskriterium ist, zeigt meine Entscheidung am Ende des Auswahlprozesses.

Die Iowan Old Style von John Downer aus dem Jahr 1991
Die Iowan Old Style von John Downer aus dem Jahr 1991
Fünfte Etappe

Festina Lente

Eile mit Weile ist das Motto der Offizin des Aldus Manutius, die im Buch des Robin Sloan solch eine besondere Rolle spielt. Im Druckereizeichen sind ein Delfin, ein Kreis und ein Anker abgebildet.

Erasmus von Rotterdam

Speude bradeôs.
Eile mit Weile!

Quelle: Anton J. Gail, Erasmus von Rotterdam: Adagia. Stuttgart 1983, Philipp Reclam Jun. Nr. 7918.

oder in der vollständigen originalen Überlieferung: Σπε?δε βραδ?ως· ?σφαλ?ς γ?ρ ?στ’ ?με?νων ? θρασ?ς στρατηλ?της und in der Übersetzung Eile langsam! Ein vorsichtiger ist besser als waghalsiger Heerführer.

Worum geht es im Buch Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra?

Clay Jannon ist eigentlich Webdesigner, doch die Rezession hat ihn seinen Job gekostet. So führt ihn eine Stellenanzeige in die durchgehend geöffnete Buchhandlung von Mr. Penumbra. Clay merkt bald, dass dies keine gewöhnliche Buchhandlung ist und hier irgendetwas nicht stimmt. Nach und nach findet Clay heraus, dass Mr. Penumbra und seine Kunden einem uralten Geheimnis auf der Spur sind. Zusammen mit zwei Freunden macht er sich daran, dieses Geheimnis zu lüften. Einen schönen Artikel über das Buch hat Roxane Gaydec 2012 für die New York Times geschrieben.

Bücher und Typografie spielen die Hauptrolle - in weiteren Nebenrollen die Festina Lente Corporation, Aldus Manutius, sein Schüler Francesco Griffo auf eine anlehnende Weise als halbfiktionale Figur Griffo Gerritson, Apple Computer, Google und ein Geheimnis, mit dem all das und die in unterschiedlichen Epochen lebenden und existierenden Technologien und Figuren zusammenhängen.

Die reale Figur Francesco Griffo (Francesco da Bologna, 1450–1518) verlässt 1502 die Werkstatt von Manutius und gründet 1518 seine eigene Druckerei in Bologna. Er gilt als erster Schriftschneider und Schriftenentwerfer, der auf Basis einer päpstlichen Kanzleischrift schräg gestellte Lettern entwarf: die erste Kursive. Ein Grund, warum dieser Schriftschnitt noch heute italic genannt wird.

Bembo

Noch in Manutius' Diensten entwarf Griffo 1496 für einen Aufsatz des italienischen Gelehrten Pietro Bembo eine Schrift, die unter dem Namen Bembo bald sehr populär wurde.

Wolfgang Beinert schreibt zur Bembo im Typolexikon, die Bembo läute die Antiqua des Aldinischen Typs ein, welche auch als Venezianische Antiqua bezeichnet werden und denen die Garamondschriften bzw. Französische Renaissance-Antiquas folgen.

Iowan Old Style

Auf dieser Bembo wiederum beruht die 1990 von John Downer entwickelte Schriftart Iowan Old Style, die Bestandteil jeder Apple iBooks Anwendung und als Systemfont jeder MacOS- oder iOS-Installation ist. (Wenn man auf einem Apple Device die Books Anwendung öffnet, findet man die Iowan in der Leseschriftenauswahl.

Iowan Old Style
gestaltet von John Downer,
von Bitstream 1991 veröffentlicht
Grafik: tripleorange.de

In Robin Sloans Buch spielt die Iowan Old Style auf eine geheimnisvolle Art unter einem anderen Namen eine besondere Rolle.

Damit wäre für mich die erste mögliche Schrifttype bestimmt, es ist die Iowan Old Style.

Die Iowan Old Style wäre eine auf der Renaissance-Antiqua aldinischen Typs Bembo beruhende Renaissance-Antiqua-Variante, deren Entstehung auf das Jahr 1496 und 1990 zurück ginge.

Wolfgang Beinert schreibt im www.typolexikon.de zu Venezianischen Renaissance-Antiqua:

Die primären Klassifikationsmerkmale einer Venezianischen Renaissance-Antiqua sind die schrägen Dachansätze der Minuskeln, die grundsätzlich über die H-Linie zur k-Linie gehen, runde bis konische Serifenübergänge, leicht bis stark gekehlte Serifenunterkanten, eine schräge Achse der Minuskel e und eine optische Achse, die bei den Rundformen leicht bis stark nach links geneigt ist sowie ein geringer Strichstärkenkontrast.

Quelle: Wolfgang Beinert , Venezianische Renaissance Antiqua

Tittles

A tittle or superscript dot is a small distinguishing mark, such as a diacritic or the dot on a lowercase i or j. The tittle is an integral part of the glyph of i and j, but diacritic dots can appear over other letters in various languages. In most languages, the tittle of i or j is omitted when a diacritic is placed in the tittle's usual position (as í or ?), but not when the diacritic appears elsewhere (as ?, ?).

Quelle: Wikipedia

Abweichend davon zeigt die Iowan Old Style eine waagerechte Achse im Minuskel (Kleinbuchstaben) »e«, kaum gekehlte Minuskelunterkanten und als besonderes Kennzeichen verfügen die Schrift über diamantenförmige i-Punkte, sogenannte tittles.

Die Iowan Old Style wäre im obigen Sinne eine Übergangsschrift, als moderne Variante einer Renaissance-Antiqua aldinischen Typs stünde sie zwischen den wenig gut lesbaren Venezianischen Renaissance-Antiqua und den später folgenden Renaissance-Antiqua französischer Provinienz.

Wer eine weitere sehr schön und sorgfältig geschnittene Renaissance-Antiqua sucht, wird vielleicht mit bei der Neacademia des russischen Physikers und Schriftengestalters Sergei Egorov fündig.

Adobe Garamond<br />gestaltet von <strong>Robert Slimbach</strong>,<br />basierend auf Jean Jannons Neuschnitt der Garamond von 1620
Adobe Garamond
gestaltet von Robert Slimbach,
basierend auf Jean Jannons Neuschnitt der Garamond von 1620
Sechste Etappe

Die Antiqua in Frankreich

Die Druckerpresse wurde im Jahre 1470 in Frankreich eingeführt. Bereits um das Jahr 1515 gab es in ganz Frankreich 100 Druckereien. Wie in Italien waren auch die Drucker in Frankreich in einer schwierigen Situation. Sie waren nicht nur die technisch ausführenden Druckbetriebe sondern in Personalunion Verleger, Publizisten und Autoren. Damit waren sie ab ca. 1540 unmittelbar der Zensur durch die Zensoren an der Pariser Sorbonne unterworfen. Jedes veröffentlichte Buch musste sich dieser Zensur unterziehen lassen und konnte verboten werden.

Eine weitere Bedrohung des Geschäftsfeldes des Druckers und Verlegers bestand durch Raubkopien der gedruckten Werke. Man konnte durch das Pariser Parlement ein cum privilegio oder durch den König ein 5 bis 10 Jahre geltendes Privilège du Roy erhalten.

Druckerdynastie Estienne

So erging es auch der Familie des Pariser Druckers und Verlegers Henri Estienne bzw. in lateinischer Schreibweise Henricus Stephanus. Der ältere Henri Estienne druckte 1502 sein erstes Werk Ethik des Aristoteles. und begründete eine Druckerei, die später sein berühmterer Sohn Robert übernehmen sollte.

Olivenbaum Symbolik

Das Grundbild zeigt einen Olivenbaum mit einem fallenden Ast. (...) folgt der gängigen Interpretation des Abbilds, dass die Olive als den Baum identifiziert, der mit der griechischen Göttin Pallas Athene, der Schutzpatronin der Weisheit und des Lernens, verbunden ist. Ein Teil des göttlichen Wissens fällt auf die Erde, um von Gelehrten zum Nutzen der Menschheit gesammelt und verwendet zu werden.

Quelle: CERL

Dieser führte als Wappen der Druckerei den Olivenbaum ein, von dem ein Zweig herabfällt. Heute trägt das Consortium of European Research Libraries. diesen Olivenbaum als Wappen. Ca. 18 verschiedene Bücher gab seine Druckerei in der Rue Jean-de-Beauvais im Pariser Quartier Latin im Jahr heraus.

Robert Estienne machte sich mit vielen verlegerischen Innovationen einen Namen, deren Tradition sich bis heute fortsetzt. Er war der erste Verleger, der ein lateinisches Wörterbuch herausbrachte, in dem auch die französischen Übersetzungen genannt wurden, das Dictionaire francoislatin (contenant les motz et manieres de parler francois, tournez en latin), für dessen Zweisprachigkeit sich in Absetzung zum Thesaurus der Begriff Dictionaire einbürgerte und bis heute fort besteht.

Seine andere Innovation lieferte er mit der Vereinheitlichung der Einteilung der Bibel in Kapitel und Verse. 1551 gab er in Genf eine griechische Version der Bibel heraus, die erstmalig und einheitlich in Kapitel und Verse eingeteilt war. Während die Kapiteleinteilung auf der Arbeit von Stephen Langton (* um 1150 vermutlich in Langton bei Wragby, England; † 9. Juli 1228 in Slindon, Sussex), dem späteren Erzbischof von Canterbury beruhte, gab es erste Bibelausgaben mit Versangaben schon 1509, wie man an diesem Beispiel sehen kann.

Eine enge Beziehung zu Robert Estienne hegte Geoffroy Tory, ein 1480 in Bourges geborener französischer Buchdrucker und Gelehrter, der unter anderem neue typographische Druckbuchzeichen entwickelte wie zum Beispiel Akzente, Apostrophe, Cedilles. Bei ihm ging der junge Claude Garamond in die Lehre und lernte die Kunst des Schriftenschneidens.

Claude Garamond

Die Plakataffäre von 1534

Antoine Augereau wurde als Drucker am 24. Dezember 1534 auf dem Place Maubert gehenkt und zusammen mit seinen Büchern auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er war als Drucker am Druck von Plakaten beteiligt, die im Rahmen der Plakataffäre unter anderem auch im königlichen Palast von Amboise aufgehangen wurden und die als antikatholische Aktion das Konzept der Eucharistie angriffen.

Quelle: Wikipedia

Claude Garamond (er schrieb sich selbst eigentlich Garamont) wurde 1498 oder 1499 in Paris geboren und starb ebd. 1561. Er war ein französischer Schriftgießer, Typograf, Stempelschneider und Verleger, der zunächst bei Geoffroy Tory, Robert Estienne und Antoine Augereau in die Lehre.

1530 schnitt Garamond seine bis heute berühmte französische Antiqua, die unter dem Namen Garamond um 1620 von Jean Jannon (1580–1658) nachgeschnitten und neu publiziert wurde. Heute gibt es zahlreiche Neuschnitte der Garamond. Hier eine Variante, die Adobe Garamond von Robert Slimbach als Teil der Adobe Originals.

Kardinal Richelieu

Armand-Jean du Plessis, 1er Duc de Richelieu (* 9. September 1585 in Paris; † 4. Dezember 1642 ebenda), kurz Kardinal Richelieu, war ein französischer Aristokrat, Kirchenfürst und Staatsmann. Von 1624 bis zu seinem Tod war er unter König Ludwig XIII. als Erster Minister die bestimmende politische Figur in der französischen Politik.

Quelle: Wikipedia

Viele der heute bekannten Garamond Varianten werden dem Schriftschneider und Drucker Jean Jannon zugeschrieben, er selbst litt unter der Verfolgung durch Kardinal Richelieu, der im Auftrag Louis XIII 1640 die Manufacture royale d'imprimerie im Louvre Palast gründete. Die königliche Druckerei wechselte noch mehrmals danach den Standort.

Druckerdynastie Didot

Als weitere bedeutsame Persönlichkeiten sind Firmin Didot (1730 - 1804) und Pierre Simon Fournier (1712 - 1768) zu nennen. Didot zeichnet sich für die Masseinheit Didot-Punkt und sein Sohn Firmin Didot (1764 - 1836 ) für die Schriftart Didot von 1788 - auf der die heutige Variante von Adobe Adobe Didot beruht - verantwortlich, während Fournier die bis heute gültige Einheit Punkt für die Schriftgröße einführte. Nach Fournier ist die Schriftart Fournier von Adobe benannt.

Romain de L’Empereur

1804 schuf Firmin Didot für die Kaiser-Krönung von Napoleon, den nur ein einziges Mal verwendeten Schriftschnitt »Romain de L’Empereur« (»Kaiser-Antiqua«). Diese exklusive Antiqua enthielt erstmals die spezielle Form der »Les guillemets anglais«, englische Anführungszeichen gesetzt in der Art der traditionellen Guillemets; also »66« und »99« in Minuskelhöhe, die heute als »Französische Anführungszeichen« bezeichnet werden.

Quelle: Beinert, Wolfgang. Typografie [online], Typolexikon.de, Lexikon der Typografie. Ambroise Firmin Didot

Sowohl die Didot als auch die Fournier weisen typische Merkmale der klassizistischen Antiqua auf. Die Strichstärken sind stärker kontrastiert und weisen feine Haarlinien auf. Die senkrechten Grundstriche sind stark und gerade ausgeführt, weshalb sie aus der Ferne betrachtet fast den Charakter von dorischen Säulen aufweisen, da die Senkrechte gekehlt ausgeführt werden muss, um den optischen Dickenzuwachs in der Mitte auszugleichen. Die Serifen stehen flach auf der Grundlinie und weisen gerade oder nur sehr schwach gerundete Übergänge zur Senkrechten auf. Die Schriftachse der runden Buchstabenformen steht im Gegensatz zu den meisten vorklassizistischen Antiqua präzise senkrecht.

Weitere typische und bekanntere Vertreter der klassizistischen Antiqua sind die Bodoni (Giambattista Bodoni, 1740–1813, italienisch), die Walbaum ( Justus Erich Walbaum, 1768-1837, deutsch) und die Century (Linn Boyd Benton, 1844 – 1932, amerikanisch).

Da ich leider nicht im Besitz einer Didot oder Fournier bin, kann ich hier als Platzhalter für eine klassizistische Antiqua nur die italienische Bodoni zeigen.

Während mir die Garamond (s.o.) gut gefällt, sagen mir die klassizistischen Antiqua überhaupt nicht zu. Die klassizistische Strenge und eine gewisse Härte, die die Typen ausstrahlen, all das würde in meinen Augen besser zu einem Banker passen, als zu mir. Außerdem genügt die klass. Antiqua schon den einfachen Anforderungen nicht, die ich zu Anfang festgelegt habe: ihre Entstehungsphase fällt weder in die Renaissance noch in den Barock. Das dies kein endgültiges Ausscheidungskriterium ist, zeigt meine Entscheidung am Ende des Auswahlprozesses.

Times New Roman, als Vorlage diente die Plantin von Christoffel Plantijn
Times New Roman, als Vorlage diente die Plantin von Christoffel Plantijn
Siebte Etappe

Die Antiqua in den Niederlanden

Garamonds Schriftentwurf in seiner Ausprägung durch den Neuschnitt von Jean Jannon hatte erheblichen Einfluß auf die Schriftengestaltung in Europa. Ausgehend von diesem Design wandelte sich das Bild der Antiqua erheblich, weil sie zusehends ihre Wurzeln - aus der Humanistische Minuskel und aus der römischen Capitalis quadrata stammend - verließ. Die Zeichen wandelten sich von Typen mit einem handgeschriebenen Duktus und Federstrich zu mit Hilfe der Typometrie durchkonstruierten Zeichen, mit ebenmässigeren Ansätzen der Kleinbuchstaben und einem größeren Unterschied in Strichstärke von vertikalen und horizontalen Schriftlinien. Haar- und Grundstriche sind unterschiedlich breit.

Typisch sind auch die in Tropfenformen auslaufenden Abstriche der Buchstaben und die ausgeprägte Symmetrie der weniger stark gekehlten Serifen.

1620 soll Jean Jannon in Frankreich die Antiqua von Claude Garamond neu geschnitten haben.

Geschichtlicher Hintergrund

Mit Auflösung des Frankenreichs im frühen Mittelalter wurden die niederländischen Provinzen vom spanischem Zweig der Habsburger beherrscht. Ketzerverfolgungen waren in allen niederländischen Provinzen an der Tagesordnung. Fast 100 Jahre nach Luther Veröffentlichung der 95 Thesen war die Gegenreformation in vollem Gange. Mit einer Neuaufteilung und Schwächung der Generalstaaten ab 1559 wollte Philipp II. die zuvor erteilten Ständeprivilegien zurücknehmen.

Willem van Oranje

In den Niederlanden ist Wilhelm als Vater des Vaterlandes bekannt. Sein Name wurde in einem Lied, dem Het Wilhelmus, verewigt, das am 10. Mai 1932 zur niederländischen Nationalhymne erklärt wurde. Am 10. Juli 1584 - 60 Jahre vor dem, den Krieg beendenden Westfälischen Frieden am 15. Mai 1648 - wurde Wilhelm in seiner Delfter Residenz von dem katholischen Fanatiker Balthasar Gérard ermordet.

Quelle: Wikipedia

Unter Leitung des 1533 in Dillenburg/Lahn geborenen Willem van Oranje (eigentlich Wilhelm von Nassau-Dillenburg auch genannt der Schweiger wiedersetzten sich die Niederländer der spanischen Herrschaft und der andauernden Inquisition und Verfolgung der Protestanten.

Beeldenstorm

Im Jahr 1566 fand der Beeldenstorm (Bildersturm) statt, bei dem sowohl in Flandern wie in den nördlichen Provinzen der Niederlande Kirchen von Protestanten gestürmt und alle Heiligenfiguren, die sie fanden und für gotteslästerlich erachteten, zerstört wurden. Diese Aktion wurde mit dem zweiten Gebot begründet: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis von Gott machen, um ihn damit zu verehren“. Sie war der äußere Anlass für den Beginn des Achtzigjährigen Krieges mit Spanien zwei Jahre später.

Quelle: Wikipedia

Der Achtzigjährige Krieg zwischen Spanien und den nördlichen Provinzen begann dann eigentlich mit dem ersten militärischen Aufeinandertreffen beider Seiten in der Schlacht von Heiligerlee 1568, in der Adolf von Nassau, der Bruder Wilhelms von Oranien, fiel. 13 Jahre später, am 24. Juli 1581 bildeten die Provinzen der Utrechter Union die Republik der Vereinigten Niederlande, erklärten ihre Unabhängigkeit vom König und ernannten Wilhelm I. von Oranien zum Statthalter in den verschiedenen Staaten.

1609 vereinbarten beide Seiten einen Waffenstillstand, der allerdings nur 12 Jahre hielt und im Rahmen des 30jährigen Krieges gebrochen wurde. All dies führte am 15. Mai 1648 zum westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück und der internationalen Anerkennung der Republik der Vereinigten Niederlande. Die südlichen Niederlande – das heutige Belgien – blieben hingegen bei Spanien, so dass die Niederlande fortan geteilt waren.

Gleichzeitig schlossen sich am 20. März 1602 niederländische Kaufmannskompanien zur Niederländischen Ostindien-Kompanie (VOC) zusammen, um gemeinsame Kräfte zu bündeln und die Konkurrenz untereinander auszuschalten. Während zweier Jahrhunderte des in vielen Bereichen monopolisierten Handels hatte die VOC zirka 4700 Schiffe unter Segel, auf denen insgesamt zirka eine Million Menschen und Waren im geschätzten Wert von 2,1 Milliarden Gulden befördert wurden. (Quelle: Wikipedia ).

Für die Niederlande begann das Goldene Zeitalter.

Michael North

Die Niederlande waren im 17. Jahrhundert ein Land der Superlative: jährlich wurden 70.000 Bilder gemalt, 110.000 Stück Tuch produziert und 200 Millionen Gulden an Volkseinkommen erwirtschaftet.

Michael North: Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts.

Der Aufstieg der Druckereien im Gouden Eeuw

Auch in den Niederlanden ließen sich viele Drucker nieder und begannen mit großem Erfolg Bücher zu drucken. Der bedeutsamste hier zu nenennde Name dürfte der des Hauses Elsevier sein. Lodewijk Elzeverius oder auch Louis Elsevier (1540 - 1617) war Calvinist und floh aus den katholischen spanischen Niederlanden und ließ sich in Leiden nieder, wo er zunächst nur eine Buchhandlung betrieb. Mit zunehmendem Erfolg begann er auch Bücher zu verlegen, eröffnete 1638 eine Niederlassung in Amsterdam. Das Familienunternehmen vertrieb vornehmlich wissenschaftliche Bücher, unter anderem von Galileo Galilei, René Descartes und Joseph Justus Scaliger (die er alle persönlich kannte), in verschiedenen Sprachen. (Quelle: Wikipedia)

Elsevier hinterließ sieben Söhne, die alle in seine Fußstapfen traten. Sein Enkel Isaac Elsevier (1596 - 1651) eine Universitätsbuchdruckerei in Leiden, entwarf das Firmenlogo derer von Elsevier: Einen Ulmenbaum, um dessen Stamm sich eine mit Trauben behangene Weinrebe windet. Die Trauben erntet ein Gelehrter, dem der Hinweis non solus („nicht allein“) gegenübersteht. Die Bildelemente werden heute als Symbole interpretiert: Die Ulme, der Baum des Lebens, stehe für Erfahrung, die Traube für Wissen, der Gelehrte sei die personifizierte Weisheit.

Christoffel van Dijck (1601 bis 1669)

Kein Handwerker und Schriftschneider dürfte dem Hause Elsevier so seinen sprichwörtlichen Stempel aufgedrückt haben, wie Christoffel van Dijck (1601 bis 1669), ein niederländischer Drucker und Betreiber einer Schriftgießerei in Amsterdam.

Im Jahr 1681 entschied sich die Witwe von Daniel Elsevier, die Schwiegertochter von Louis Elsevier, die Schriftgießerei zu verkaufen. Zu diesem Anlaß ließ sie ein Schriftmuster anfertigen, das heute berühmte Proeven van Letteren, die gesneden zijn door wijlen Christoffel van Dijck (‘Muster der Schriften, die geschnitten sind vom seligen Christoffel van Dijck’). Die Dutch Type Library erstellte 1993 ein Schriftmuster der dtl Elzevir. Bei der Gestaltung entschied man sich nicht für einen modernen Entwurf, sondern legte das Originalmuster von 1681 zugrunde, um auf den historischen Hintergrund der neuen Schrift hinzuweisen.

Aus dem noch verfügbarem Nachlass, aus diesen Dokumenten entstand schließlich die 1992 von Gerard Daniëls für die Dutch Type Library gestaltete DTL Elzevier, eine barock anmutende Antiqua in vier Schnitten mit Outlines, Swashes und Ornamenten, die besonders gut für den Buchdruck geeignet ist.

Christoffel Plantijn

Ein anderer großer Drucker dieser Zeit war Christoffel Plantijn (1520 - 1589), ein flämischer Buchdrucker mit französischen Wurzeln, war er doch in Saint-Avertin bei Tours geboren. Er zählte zu seiner Zeit zu den produktivsten Vertretern seiner Zunft. Nach seiner Lehre bei Robert Macé in Caen ließ sich Plantin 1549 im flämischen Antwerpen nieder. Seine 1555 gegründete Druckerei war einer der größten seiner Zeit, und sie ist bis heute erhalten, und zwar als Plantin-Moretus-Museum. Sie zählte bis zu 16 Druckpressen, hatte über 80 Beschäftigte und brachte zu Plantins Lebzeiten über 1000 Schriften heraus, darunter die epochemachende Weltkarte des Gerhard Mercator und die berühmte Biblia Polyglotta, die den Bibeltext parallel in fünf Sprachen enthielt. Seine Schwiegersöhner Franciscus Raphelengius der Ältere und später Jan Moretus (1543 -1610) übernahmen die Druckerei, die dann später ein Museum wurde und seit 2005 Teil des Weltkulturerbes wurde.

Nach Christoffel Plantijn ist die Schrift Plantin benannt, die 1913 von der britischen Monotype Corporation für ihr Heißmetallsatzsystem entwickelt wurde. Der Schnitt basiert grob auf einer Cicero Roman Antiqua, die im 16. Jahrhundert von Robert Granjon, einem französischen Schriftenschneider und Verleger entworfen wurde. Er arbeitete eng mit Christoffel Plantijn zusammen. Bekannt ist Granjon für seine schönen kursiven Antiqua-Schnitte. Nach Granjon ist außerdem die Schriftenfamilie Granjon von Linotype benannt. Notwendig geworden war der Entwurf der Plantin wegen der Anfang des 20. Jahrhunderts aufkommenden glatteren und gestrichenen, nicht mehr so saugfähigen Papiere, auf denen die existierenden Antiqua-Schnitte im Druck zu mager und zu skelettartig ausfielen. Der technische Leiter von Monotype, Frank Hinman Pierpont, besuchte das Plantin-Moretus-Museum, wo er ein gedrucktes Exemplar der historischen Schriften erwarb.

Die Plantin erwies sich in der Folge als sehr beliebt unter den Schriftsetzern und wurde in Folge sogar digitalisiert. Sie diente als Vorlage für eine der erfolgreichsten Schriften des 20. und 21. Jahrhunderts, der Times New Roman, die je nach Quelle 1931 entweder von Stanley Morison und Victor Lardent oder von Frank Hinman Pierpont, dem damaligen Leiter des Monotype-Werks in Salfords für Monotype und Fritz Steltzer, dem in Deutschland geborene Leiter des Zeichenbüros. entworfen worden sein soll. Siehe dazu den Artikel Times and Times again. Kaum eine Schrift dürfte so häufig auf Computern installiert sein, wie die Times New Roman.

Der Krimi um die Janson-Antiqua

Über eine lange Zeit nahm man an, die sogenannte Janson Antiqua wurde um ca. 1670 vom niederländischen Stempelschneider und Schriftgießer Anton Janson (1620 - 1687) entworfen. Dies ist mittlerweile revidiert. Die Janson stammt in ihren Entwürfen nicht von Anton Janson sondern vom Ungarn Miklós Misztótfalusi Kis (1650 - 1702). Ralf Herrmann hat die Geschichte um die Janson Antiqua, die nicht von Janson kam in typografie.info ganz wunderbar aufgeschrieben. Die Janson Antiqua erfreut sich bis heute großer Beliebtheit, wird sie doch immer noch in zahlreichen Publikationen, wie zum Beispiel der Frankfurter Sonntagszeitung verwendet.

DTL Fleischmann und Farnham

Nicht unerwähnt bleiben soll auch der deutsche Typograf und Schriftgießer Johann Michael Fleischmann (1701 - 1768) aus Wöhrd bei Nürnberg, der in Holland arbeitete. Seine über zwanzig entwickelten Antiqua-Schnitte sollten später die meisten der von Christoffel van Dijck entwickelten Typen verdrängen. Fleischmann arbeitete ab 1728 bei Isaac van der Putte in Amsterdam, dann bei R.C. Alberts und Herman Uytwerf (1698–1754) in Den Haag. Ab 1730 war er für Uytwerf tätig. Ab 1732 machte er sich als Stempelschneider und zwei Jahre später als Schriftgießer selbständig.

1732 entwickelte Fleischmann seine heute als Original Fleischmann Antiqua bekannte Schrift. Sie bildet bis heute die Grundlage von neu entwickelten Schriftarten. 1927 entwickelte L. Wagner einen modernen Satz der Fleischmann Antiqua, auch als Kursiv und Halbfett. 1993 wurde sie als DTL Fleischmann und in der Variante DTL Fleischmann Italic bekannt. Die 2004 vom Typografen Christian Schwartz entwickelte Schriftfamilie Farnham mit 25 einzelnen Schriften ist ein rationaler Entwurf, der auf der typographischen Arbeit von Johann Fleischmann basiert. Farnham ist seit 2004 die meistgebrauchte von drei Hausschriften der deutschen Tageszeitung Frankfurter Rundschau. Die zahlreichen Varianten der Schrift sind für die gute Lesbarkeit und den ästhetischen Anspruch der iPad-Edition der Zeitung hilfreich. (Quelle: Wikipedia)

Adobes Caslon Pro, sie geht auf den Entwurf von William Caslon I (1692 - 1766) in London zurück
Adobes Caslon Pro, sie geht auf den Entwurf von William Caslon I (1692 - 1766) in London zurück
Achte Etappe

Die Antiqua in England

Bevor wir zum Brieffreund von Benjamin Franklin weitergehen, sei noch einer der bedeutenden Graveure und Schriftenentwerfer Großbritanniens genannt, ist William Caslon (1692 - 1766), der zunächst nur als Graveur, später aber auch als Schriftenentwerfer tätig war. Die Bedeutsamkeit von Caslons Arbeit kann man vor allem daran ermessen, dass die meisten englischen Schriftsetzer auf den Kauf von Typen für den Druck auf das europäische Festland angewiesen waren, besonders wenn sie in den modernen angesagten Antiqua-Schnitten aus Holland drucken wollten. Schriftgestaltung.com schreibt: "Caslons Schrift gilt allgemein als getreue Kopie einer Antiqua des holländischen Schriftschneiders Christoffel van Dyck, dessen Schriften als Importware in England seit den 1690er Jahren recht verbreitet sind." Caslons Schriftgießerei hatte über 200 Jahre, später in den Händen von Nachfolgern Bestand, während die von Caslon zwischen 1720 und 1726 entworfene Schrift Caslon bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren hat. Über 18 verschiedene Folgeentwürfe basierten auf der Arbeit William Caslons, darunter die ITC Caslon, die Caslon Open Face, die Caslon Buch der Berthold AG oder die Adobe Caslon von Carol Twombly.

Caslons Schrifttypen fanden auch ihren Weg nach Nordamerika und ihren Höhepunkt fand Caslons Arbeit im Satz der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und im Erstdruck der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Benjamin Franklins Brieffreund

Die Rede ist von John Baskerville (1707 - 1775), einem englischen Geschäftsmann, dem neben dem Drucken und Schriftengestalten auch noch die Erfindung eines glatteren, "wove paper" genannten Papiers für die Druckerei gelang, das deutlich bessere Ergebnisse lieferte.

Baskerville wurde im Dorf Wolverley in der Nähe von Kidderminster in Worcestershire geboren. Baskerville begann eine frühe Karriere als Handschriftenlehrer und bot seine Dienste beim Schneiden von Grabsteinen an, bevor er mit der Herstellung von Lackarbeiten (Japanning) ein beträchtliches Vermögen machte.

Baskerville leitete seinen Stempelschneider John Handy bei der Gestaltung zahlreicher Schriften mit weitgehend ähnlichem Aussehen an. Seine Schriften wurden von Benjamin Franklin, einem Druckerkollegen, sehr bewundert. Er leistete auch Pionierarbeit für eine völlig neue Art der Typografie, indem er breite Ränder und einen Zeilenabstand einführte.

Erfolg mit Typo und Papier

Im Jahr 1757 veröffentlichte Baskerville eine bemerkenswerte Quarto-Ausgabe von Virgil auf Velin, für die er seine eigene Schrift, die Baskerville, verwendete. Ihre Fertigstellung dauerte drei Jahre, aber sie war so erfolgreich, dass er im folgenden Jahr zum Drucker der Universität Cambridge ernannt wurde. Baskerville war innovativ in der Druck-, Papier- und Tintenherstellung. Das gemeinsam mit dem Papiermacher James Whatman erstellte Papier, auch gewebtes Papier genannt, war wesentlich glatter und weniger saugfähig als frühere Papiere und machte kräftigere Typen und Lettern notwendig.

Benjamin Franklin

Benjamin Franklin (1706 - 1790) in Philadelphia, Pennsylvania) war ein amerikanischer Drucker, Verleger, Schriftsteller, Naturwissenschaftler, Erfinder und Staatsmann. Als einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten beteiligte er sich am Entwurf der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten und war einer ihrer Unterzeichner. Franklins Leben war in hohem Maße von dem Willen geprägt, das Gemeinwesen zu fördern. Er gründete die ersten Freiwilligen Feuerwehren in Philadelphia sowie die erste Leihbibliothek Amerikas und konstruierte einen besonders effektiven und raucharmen Holzofen. Auch machte er wissenschaftliche Entdeckungen, er erfand unter anderem den Blitzableiter.

Quelle: Wikipedia

Stellen wir uns bei diesem Scan der Baskerville-Ausgabe von Virgil aus dem Jahr 1757 also einfach einmal ein fast weißes, schon sehr glattes Papier vor, und wir sehen schnell, wie modern die Baskerville in ihrem schönen Schnitt auch heute noch auf uns wirkt. Schaut Euch diese wunderschöne, sauber gesetzte Liste der Abonnenten an. - Nicht jedem aber hat die Baskerville als Schnitt gefallen. Der freundliche Herr, der Baskervilles Schriftschnitte so sehr bewundert hatte, war kein geringerer als der spätere Mitgründer der Vereinigten Staaten von Amerika, Erfinder und ehemalige Drucker Benjamin Franklin. Das erste Treffen zwischen Franklin und Baskerville fand im Sommer 1758 statt, als Franklin nach Birmingham kam. Sich selbst bezeichnete Franklin immer als "Benjamin Franklin, Drucker", selbst kam er in dieses geschäft im Alter von 12, in der Druckerei seines älteren Bruders James, der eine Druckerei in Boston hatte. Ab 1729 gab Franklin die Tageszeitung Pennsylvania Gazette heraus. Die Zeitung erschien von Oktober 1729 bis September 1777.

Craven Street, London, 1760.

Sehr geehrter Herr,

ich möchte Ihnen ein schönes Beispiel für das Vorurteil geben, das einige gegen Ihre Arbeit erheben. Kurz nach meiner Rückkehr diskutierte ich mit einem Herrn über die Künstler von Birmingham, sagte er, sie würden alle Leser der Nation blenden, weil die Striche Ihrer Buchstaben zu dünn und schmal seien und dem Auge schadeten, und er könne nie eine Zeile ohne Schmerzen lesen. "Ich dachte," sagte ich, "sie würden sich über den Glanz des Papiers beschweren, den einige beanstanden." "Nein, nein", sagte er, "das habe ich schon gehört, aber das ist es nicht; es liegt an der Form und dem Schnitt der Buchstaben selbst, sie haben nicht jene Höhe und Dicke des Strichs, die den gewöhnlichen Druck so viel angenehmer für das Auge macht."

Sie sehen, dieser Herr war ein Genießer. Vergeblich versuchte ich, Ihren Charakter gegen die Anschuldigung zu unterstützen; er wusste, was er fühlte und konnte den Grund dafür sehen, und mehrere andere Herren in seinem Freundeskreis hatten die gleiche Beobachtung gemacht usw. Gestern besuchte er mich, und in der boshaften Absicht, sein Urteilsvermögen zu prüfen, trat ich in meinen Schrank, riss den Deckel von Herrn Caslons Exemplar ab und zeigte es ihm als das Ihre, das ich aus Birmingham mitgebracht hatte und sagte, ich hätte es, seit er mit mir gesprochen hatte, und konnte beim besten Willen die von ihm erwähnte Disproportion nicht erkennen und bat ihn, es mir zu zeigen. Er übernahm dies bereitwillig und ging über die verschiedenen Quellen und zeigte mir überall die Stellen, die er für nicht richtig proportioniert hielt und erklärte, dass er das Exemplar nicht lesen könne, ohne den Schmerz, den er mir gegenüber erwähnt hatte, sehr stark zu empfinden. Ich ersparte ihm diesmal die Verwirrung, ihm zu sagen, dass dies die Typen waren, die er sein ganzes Leben lang mit seinen Augen mit so viel Leichtigkeit gelesen hatte; die Typen, mit denen sein verehrter Newton gedruckt ist, über die er nicht nachgedacht hatte. Ja, sogar die Typen, mit denen sein eigenes Buch gedruckt ist (denn er ist selbst ein Autor), und entdeckte doch nie die schmerzliche Unverhältnismäßigkeit in ihnen, bis er dachte, sie seien die Ihren.

Ich bin, etc.

B. FRANKLIN.

Quelle: Straus, Ralph, Dent, Robert K. (Robert Kirkup): John Baskerville : a memoir; 1851-1925. Übersetzung durch mich.Archive.org

Diese Baskerville-Ausgabe von Virgil aus dem Jahr 1757 ist das erste Buch, das auf Velinpapier gedruckt wurde, das von James Whatman speziell für Baskervilles fein geschnittene Schriften hergestellt wurde. Seine bekannteste Schrift, die Baskerville, gilt als Höhepunkt der Übergangsschrift und als Brücke zwischen altem und modernem Schriftdesign

Industry and Genius

Ein anonymer Verfasser schrieb dieses Gedicht über Baskerville 1751, es erschien zuerst in Aris’s Birmingham Gazette. Es ist in der Art der Spenser-Stanze geschrieben, benannt nach Edmund Spenser. Mit B ist John Baskerville gemeint

Industry and Genius or The Origin of Birmingham

O B——! in whom, tho’ rare, unite,
The Spirit of Industrie and eke the Ray
Of bright inventive Genius; while I write,
Do Thou with Candour listen to the Lay
Which to fair Birmingham the Muse shall pay,
Marking beneath a Fable’s thin Disguise,
The Virtues its Inhabitants display;
Those Virtues, when their Fame, Their Riches rise,
Their nice mechanic Arts, their various Merchandise.


A Town they builden straight, hight Birmingham,
Where still their numerous Offspring dwell combin’d,
Whose useful Thewes, and curious Arts proclaim
To all th’admiring World, from what rare Stock they came.

Quelle: Website Revolutionary Players made the modern World

Die Baskerville gefiel mir schon 2019 ausnehmend gut. Ich finde das Schriftbild nahezu ideal, die Linienstärken ausgewogen, die Höhen der Kleinbuchstaben angemessen. Geradezu verliebt habe ich mich in das kleine g der Baskerville, das sich von den meisten Antiqua-Varianten deutlich abhebt. Die Lebensgeschichte Baskervilles gefällt mir, auch was er Benjamin Franklin über seine Probleme geschrieben hat, eine Nachfolge für seine Druckerei zu finden, ist mir seit 2019 im Gedächtnis geblieben, auch wenn ich aktuell keine Quelle dafür gefunden habe.

Was steht der Baskerville als Auswahl also noch im Wege?

Die Baskerville, nach einem Entwurf von John Baskerville (1707 - 1775)
Die Baskerville, nach einem Entwurf von John Baskerville (1707 - 1775)
Neunte Etappe

Die Baskerville aus Birmingham

Die Baskerville von John Baskerville soll es sein. Dies wird die Schrift, die ich mit einem interessanten historischen Kontrast neben die IBM Plex Mono stelle. Das dachte ich.

Dieser Überlegung stellte sich leider ein technischer und rechtlicher Aspekt entgegen. Es verhält sich so, dass es keine frei lizenzierbare Baskerville-Variante gibt. Was ich auf keinem Fall möchte, auch nicht, wenn ich dafür monatliche Gebühren zahlen müsste, dass der Webfont von einer Plattform Dritter geladen wird. Nicht nur, weil 2022 das Jahr der Google Font Abmahnungen gewesen ist, nein, sondern einfach weil ich der Meinung bin, dass beim Besuch meiner Website keine Daten, IP-Adressen etc. an Dritte übertragen werden sollen.

Die Lizenzbedingungen der IBM Plex Mono erlauben es mir, die Webfont-Dateien lokal zu hosten und diese mit @font-face in meine Seite einzubetten. Das ist eine sehr saubere Lösung. Im Moment werden auf dieser Seite drei Schriftdateien geladen: IBM Plex mono regular, bold und italic. Das sind drei Requests und wenn ich es recht überlege: drei Typ-Requests finde ich persönlich schon einen zu viel. Aber gerade die Plex italic hat es mir sehr angetan. Deshalb lade ich drei Schnitte. Wie dieses Problem umgehen?

Eine Lösung könnte sein, Schriften zu laden, die bereits auf den Rechnern der User/Benutzer vorhanden sind. Welche könnten das sein?

Baskerville auf dem Mac

Dieser Gedanke war die Lösung: Die Baskerville zählt zu den Schriften, die neben der Iowan Old Style auf jedem Mac vorinstalliert ist. Ich kann sie mit meinem Stylesheet laden, ohne dass ein weiterer Request notwendig wäre.

Wie aber auf Windows-Rechnern verfahren?

Die Georgia, nach einem Entwurf des Schriftengestalters und Typografen Matthew Carter von 1996
Die Georgia, nach einem Entwurf des Schriftengestalters und Typografen Matthew Carter von 1996
Zehnte Etappe

Die Georgia

Hier kommt mir die Arbeit des in Großbritannien geborenen Schriftengestalters und Typografen Matthew Carter zu Gute. Er entwarf 1996 für Microsoft eine Antiqua-Variante mit starken Barockanklängen, die speziell für eine gute Lesbarkeit am Bildschirm entwickelt wurde. Es gibt einen echten Kursivschnitt, außerdem zeichnet sich die Georgia durch eine große Ebenmäßigkeit und Harmonie aus. Die Schrift gehört wie die ebenfalls vom Team um Matthew Carter entworfene Verdana zu den Core Fonts for the Web. Die Georgia ähnelt der Times New Roman, einer weiteren Neuinterpretation des Serifen-Designs für den Übergang, hat aber als Bildschirmschrift eine größere x-Höhe und weniger feine Details. Die Georgia ist eine "Scotch Roman", ein Stil, der seinen Ursprung in den Schriften der schottischen Schriftgießereien von Alexander Wilson und William Miller in der Zeit von 1810 bis 1820 hat. Laut Thomas Curson Hansard wurden diese von dem in London ansässigen Stempelschneider Richard Austin geschnitten. (Quelle: englische Wikipedia) Die Microsoft-Website schreibt zur Georgia:

Microsoft über die Georgia

Bei hohen Auflösungen und größeren Größen auf dem Bildschirm wird deutlich, dass die Georgia im Wesentlichen von der Didot und - besonders auffällig - von der Scotch Roman abstammt. Carter räumt ein, dass Richard Austins Schnitt der Scotch Roman aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert Einfluss auf die Gestaltung seiner Buchstabenformen hatte. Als er mit Georgia begann, arbeitete er an einer neuen Einzelhandelsschriftfamilie namens Miller, die eine Version der Scotch Roman ist. Carter gibt zu, dass er die Scotch schon immer bewundert hat, insbesondere in ihrer frühen Form, wie sie von Richard Austin für Bell und Miller geschnitten wurde. Der Einfluss des Scotch-Modells auf die Georgia ist am deutlichsten an den horizontalen oberen Serifen der Kleinbuchstaben b, d, h, k und l sowie an der flachen Spitze des Kleinbuchstabens t zu erkennen, eine typografische Anspielung auf die Wurzeln der Schrift in der Didot.

Quelle: learn.microsoft.com. Übersetzung durch mich.Georgia font family

Matthew Carter wurde 1937 in Großbritannien geboren und war der Sohn des Buch Designers und Druckerei- und Typografie-Historikers Harry Carter. Er hat viele bedeutende Schriften entwickelt. Schaut Euch mal eine Übersicht über die Arbeiten von Matthew Carter (PDF) auf der Website des Klingspor-Museums an. Da stehen viele Namen von Schriften, die wir alle, teils schon lange, kennen: Benton Bold, Georgia, Helvetica Compressed, Tahoma, Verdana und Verdana pro.

Über Matthew Carter

Als einer der letzten Menschen, die die Kunst der Herstellung von Metalllettern von Hand erlernt haben, kennt Carter die Buchstaben besser als die meisten anderen; nicht nur die Form des Buchstabens, sondern auch seine Gegenform, das gesamte Raumvolumen, das der Buchstabe einnimmt, sowie die Auswirkungen auf den Raum, den er sich mit dem nächsten Buchstaben und der gesamten Kombination von Buchstaben auf einer Seite teilt. Carter vergleicht den Entwurfsprozess mit dem Stricken: Er beginnt mit einem h und einem o, die die Höhe der aufsteigenden Striche und die Kurven vorgeben, und wendet die für diese "Kontroll"-Zeichen getroffenen Entscheidungen auf den Rest des Alphabets an.

Quelle: Matthew Carter, Typography Designer (1937-), Designing Modern Britain - Design Museum Exhibition. Übersetzung durch mich.Archive.org

Baskerville und Georgia haben zwar ein leicht abweichendes Schriftbild, was ich in der Schautafel einmal gegenüber gestellt habe, den Unterschied finde ich aber nicht so signifikant, dass ich auf diese praktische Lösung für die Typografie meiner Website würde verzichten wollen. Besonders fällt auf, dass die Georgia über stärkere Striche verfügt. Die Strichstärken der Antiqua-Fonts waren zu Beginn der Schriftenentwicklung für Computerbildschirme ein großes Problem, da bei kleinen Schriftgrößen eine senkrechte Linie gerade 1 oder 2 Pixel breit war.

Damit komme ich nach einem weiten, immer noch unvollständigen Exkurs durch einen kleinen Teil der europäischen Antiqua-Geschichte zu einer für mich sehr zufrieden stellenden Lösung:

Für den FLießtext und einen Teil der Überschriften wende ich die IBM Plex Mono an, für große aussagekräftige Headlines wende ich die Baskerville beziehungsweise die Georgia an. Dies schreibe ich heute, am 12. Februar 2023, fast genau vier Jahre nach den ersten Recherchen zur Typografie meiner Website Cronhill.de. Erst die Recherche hat meinen Blick für die Typografie geschärft und machte die feinen Unterschiede sichtbar, die bei der täglichen Verwendung all dieser bekannten und unbekannten Typen so oft untergehen.

Man merkt, dass ich einen großen Teil dieses Artikels 2019 schrieb. Die Finalisierung ist ein Versuch, ihn in diesem Stil fertig zuschreiben. Er erzählt von meiner Faszination für Personen und Epochen, Ereignisse und Geschichten, aber aus heutiger Sicht zu wenig von den Ideen und Idealen, zu wenig von Schönheit und Charakter. Ich merke, wie viel ich in 4 Jahren Bloggerei dazu gelernt habe. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich ende mit einem Zitat von Bodoni, der den Renaissance-Gedanken von Schönheit so perfekt zusammengefasst hat:

Worin aber sollen wir sagen, daß das Schöne bestehe? Vielleicht in zwei Dingen vor allem: In der Harmonie, die den Geist befriedigt, indem sie zu erkennen gibt, daß alle Einzelteile eines Werkes sich einer Gesamtidee unterordnen, und in den Proportionen, die das Auge oder vielmehr die Phantasie erfreuen.

Giambattista Bodoni

Danke für die Zeit und Aufmerksamkeit.

tl, dr;

Groteskschriften und Rationalität pur sind alleine langweilig. Was zählt sind persönliche Beziehungen und eine echte emotionale Bindung. Unter Berücksichtigung von modernen Lesegweohnheiten und einiger technischer Aspekte sind die Georgia und die Baskerville die richtige Antiqua für mich.

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